Muzak Flatrate

Die Musik Flatrate – das Schweizer Modell überschrieb Gerd Leonhard seinen offenen Brief vom 1. Juni 2012 an die Rechteinhaber, Verwertungsgesellschaften, Verbände von Musikschaffenden und Musikproduzenten und an den Bundesrat, in welchem er eine neue Lizenz für online verbreitete Musik vorschlägt. Postwendend erhielt der Futurist und Musiker von den Verwertungs­gesellschaf­ten, den Verbänden der Musikindustrie und dem Verein Musikschaffende Schweiz, die vorgeben, für die Direktbetroffenen zu sprechen, die Antwort, dieses neue Konzept sei eher eine Schnappsidee als ein Segen. Dabei würde Leonhards Vorschlag gerade den grossen Labels, den vermeintlichen Profiteuren einer Verschärfung des Urheberrechts, nützen, welche die seichteste Hintergrundmusik, auch Muzak genannt, auf Kosten echter Musik fördern wollen.

Hier soll es für einmal nicht um die ewig-gestrigen Argumente der „Enteignung“ gehen, wie sie von den Gegnern Leonhards wieder mal angeführt werden. Dieselbe Regelung für das Radio wird von denselben Organisationen kräftig ausgebeutet, ohne dass jemals von Enteignung die Rede ist. Das „Eigentum“ an veröffentlichter Musik kann nur beanspruchen, wer auch die Verantwortung dafür übernimmt, dass die Menschen von ihnen unerwünscht aufgedrängter Beschallung mit seiner Musik verschont bleiben. Stattdessen möchte ich Leonhards Vorschlag etwas ergänzen.

Leonhard schwebt eine Zukunft vor, wo Musik flüssig und allgegenwärtig verfügbar ist, wie das Wasser, das aus dem Wasserhahn strömt. Natürlich bezahlen Hausbesitzer, Mieter etc. für die Infrastruktur des Wassers pauschale Preise, aber der einzelne Bezug von Wasser erscheint dem Konsumenten gratis. Dafür schlägt er eine obligatorische Pauschallizenz vor, welche den Nutzern eingeräumt wird, damit sie musikalische Inhalte online anbieten dürfen. Die Musiker und die Musikindustrie räumten in den dreissiger Jahren dem Radio eine Pauschallizenz für das Abspielen beliebiger Schallplatten ein. Gemäss Leonhard sollen die Uploader im Internet gleich behandelt werden, wie das Radio schon seit fünfzig Jahren. Die Symbiose mit dem Radio hatte sich für die Musikindustrie ja durchaus gelohnt.

Die Schweiz ist weitherum das einzige Land, wo der Download von Musik – wie übrigens auch das Radiohören – nicht strafbar ist. Das hat den unschätzbaren Vorteil, dass die Plattenindustrie hierzulande die alleinerziehenden Mütter von 14-jährigen Töchtern nicht mit Abmahnungen und Gerichtsverfahren terrorisieren kann, dass unsere Pausenplätze nicht kriminalisiert werden, und dass den Labels und Musikern nicht das Recht eingeräumt wird, alle privaten Providerdaten und jeden PC, jedes Notebook und jedes Smartphone zu durchschnüffeln. Dafür bezahlen die Schweizer schon heute eine Art Musik Flatrate von 150’000’000 Franken pro Jahr, die von den Verwertungsgesell­schaf­ten in Form von Pauschalabgaben auf Leerdatenträgern, Geräten, Netzwerkgebühren für Firmen und Spezialgebühren für Blindenbibliotheken abverlangt werden. Die Musikindustrie, der Verein Musikschaffende Schweiz und eine Reihe von Parlamentariern möchte diesen Zustand gerne ändern, die fortschrittliche Schweizer Version abschaffen, wie im Rest der EU die flächendeckende strafrechtliche Bedrohung aller Bürger durch die Rechteinhaber einführen und damit die freie Meinungsäusserung abschaffen.

Leonhards Vorschlag will dagegen über die Straffreiheit des Downloads hinaus sogar eine potenzielle Straffreiheit des Uploads einführen. Wer Musik ins Internet lädt, soll in Zukunft die Erlaubnis dazu mit einer einfachen, pauschalen Abgabe bezahlen können. Wie iTunes es den Konsumenten (Downloadern) einfach machte, für Musik zu bezahlen, soll diese neue Flatrate es den Nutzern (Uploadern) einfach machen. Die Höhe der Flatrate wäre so anzusetzen, dass sie die Ausfälle der Musikindustrie deckt. Überraschenderweise kommt er auf rund 150’000’000 Franken pro Jahr, wie sie schon heute an die Verwertungsgesellschaften bezahlt werden und in deren exorbitanten Löhnen und den Taschen der wenigen ganz grossen Labels verschwinden, ohne dass die Musikschaffenden sich fair entschädigt vorkommen. Die Einführung einer solchen neuen Lizenz würde der Politik die Möglichkeit einräumen, mit dem Missständen bei den Verwertungsgesell­schaf­ten Schluss zu machen und sie von ihren öffentlich-rechtlichen Aufgaben zu befreien, damit sie sich ganz ihrer Hauptaufgabe, der kollektiven Verwertung der Werke ihrer Genossenschafter, widmen können.

Die alles entscheidende Frage ist aber, ob dieser Vorschlag zu einer fairen Entschädigung der Musikschaffenden führt. Das ist nicht unbedingt gleichzusetzen mit einer fairen Entschädigung für die Rechteinhaber, da die meisten Musikschaffenden zu eher unfairen Vereinbarungen mit den übermächtigen Labels gezwungen wurden. Und hier entpuppt sich die vorgeschlagene Musik Flatrate als unzulänglich. Die Verteilung der Einnahmen soll nämlich proportional zu den Downloads (Streaming etc.) erfolgen. Damit wird die der grössten Menge mit der grössten Anzahl Wiederholungen vorgedudelte Hintergrundmusik auf Werbebannern und an öffentlichen Plätzen, die unfreiwillig konsumiert wird, am meisten belohnt. Die visionäre Musik Flatrate degeneriert so zur Muzak Flatrate.

Das Bild „Musik flüssig und allgegenwärtig wie Wasser“ beschreibt nämlich Muzak, die repetierbare Konservenform der Musik, wie wir sie aus Warenhäusern, Aufzügen, Bahnhöfen, Werbebannern etc. kennen. Eigentliche Musik ist hingegen ein in der Zeit einmaliges und unrepetierbares temporales Ereignis. Sie schafft und verstärkt Identität in der Disco, in der Oper, beim Volkstanz, im Sport, im Konzert, in der Kirche, in der Werbung, in der Politik. Wir kaufen uns Konserven, um an das identitätsstiftende Erlebnis erinnert zu werden. Ohne dieses Erlebnis oder als reines Hintergrundgedudel sinkt sie aber schnell auf das Niveau von Muzak ab.

Die digitale Revolution hat der Musik ungeahnte neue Freiräume eröffnet. Waren die Vierteltontrompeten und der 31/32-Takt der New Don Ellis Band in den Siebziger Jahren noch revolutionär, so können wir heute bisher unbekannte Welten von Geräuschen, Harmonien und Rhythmen betreten, die man sich vor dem Siegeszug der digitalen Musik nicht einmal vorstellen konnte. Wir können eine Symphonie mit singenden Walfischen oder einen Online-Chor mit Millionen von Sängern aufführen. Statt der lächerlichen zwölf radiogerechten Dreiminutentracks pro CD gibt es heute auch 3-Sekunden- oder 24-Stundenevents. Und all diese echte, einmalige Musik – ob Live oder online – findet heute mehr Beachtung denn je. Die Einnahmen aus Konzerten sind in den letzten Jahren mit Wachstumsraten über 10% förmlich explodiert. Man kann sich nur wundern, warum denn die Musiker ein Problem mit ihrer fairen Entschädigung haben sollen. Betrifft das möglicherweise nur diejenigen Musiker, die mediokre Musik anbieten, die keine Identität stiftet? Warum sollten wir diese mit staatlicher Hilfe entschädigen und dafür die Schweizer Bevölkerung dem deutschen Abmahnwahnsinn aussetzen?

Um die Muzak Flatrate in eine richtige Musik Flatrate zu verwandeln, sollten wir also den Verteilungsmechanismus im Vorschlag von Gerd Leonhard ändern. Die Konsumenten sollen frei wählen können, welcher Musik die Einnahmen aus der Flatrate zukommen soll. Nur so kann man die heute schon bestehende übermässige Bevorzugung der unerwünscht aufgedrängte Muzak zugunsten einer fairen Entschädigung der Urheber wirklicher Musik ausgleichen.

Ein paar Überlegungen zu einer Kulturflatrate für die Schweiz

Bundesrätin Simonetta Sommaruga hat der Arbeitsgruppe AGUR12 den Auftrag erteilt, auch so etwas wie eine Kulturflatrate als Option in Erwägung zu ziehen, die den Rechteinhabern faire Entlöhnung und den Internetnutzern straffreien Konsum (Download) ermöglicht.

Die Idee einer Kulturflatrate stammt hauptsächlich aus Deutschland, wo Organisationen wie Attac oder die deutsche Piratenpartei sie seit mehreren Jahren und seit kurzem auch die Grünen propagieren. Dort zielt die Idee einer flächendeckenden pauschalen Abgabe vor allem darauf, den Abmahnwahnsinn zu beenden und die Benutzung des Internets zu entkriminalisieren.

In der Schweiz ist es selbst denjenigen Jugendlichen, die viel Musik herunterladen, kaum bekannt, dass hierzulande der Konsum (Download) kultureller Inhalte von Gesetzes wegen straffrei ist. So stark wirkt die Lügenpropaganda einer weltweiten Lobby! Der Upload von Werken, deren Rechte man nicht innehat, ist natürlich verboten. Teilnahme an einem P2P-Dienst wird sowohl als Download als auch als Upload eingestuft, und ist somit ebenfalls verboten. Wer legal Werke herunterlädt ist ausserdem in der Schweiz nicht verpflichtet, nachzuweisen, dass sie nicht auf illegalem Weg hinaufgeladen wurden. Mit dieser Regelung hat die Schweiz verhindert, dass man den Rechteinhabern den Zutritt zu jedem Provider, zu jedem Computer, zu jedem Mobiltelefon, zu jedem Schlafzimmer gewähren muss, damit sie gegen Verletzungen ihrer Rechte vorgehen können. Die Privatsphäre ist hier besser gegen die weltweit agierende Lobby von multinationalen Rechteinhabern geschützt. Als Gegenleistung für die durch den straffreien Konsum (Download) und die straffreie Privatkopie entgangenen Profite, bezahlen die Schweizer Bürger jedes Jahr hunderte von Millionen Franken Pauschalabgaben an die fünf hiesigen Verwertungsgesellschaften, welche diese an die Rechteinhaber verteilen. In einem gewissen Sinn haben wir also in der Schweiz schon eine Kulturflatrate in Form von 12 Gemeinsamen Tarifen der fünf Schweizer Verwertungsgesellschaften (SUISA, Swissperform, ProLitteris, SSA und Suissimage) für Abgaben auf Leergut (DVDs, …), Geräten (Mobiltelefonen, …), Arbeitsplätzen (Fotokopien, Netzwerkbenutzung, …), Schulen und Blindenbibliotheken.

Das Argument, dass mit der Einführung einer Kulturflatrate der Abmahnwahnsinn abgeschafft werden kann, verfängt also in der Schweiz nicht richtig, weil hier der Konsum kultureller Inhalte ohnehin schon straffrei ist. Der Verein Musikschaffende Schweiz und die SP Schweiz möchten diesen Zustand allerdings ändern. Die mächtige Lobby der internationalen Wissenschaftsverlage, der drei weltweit grössten Musiklabels und der Studios in Hollywood lässt sich ihre Agitation für die Kriminalisierung des Konsums Einiges kosten.

Wenn man dem Publikum in der Schweiz eine Kulturflatrate schmackhaft machen will, muss man zeigen, dass sie besser eingerichtet ist als unsere bisherigen Pauschalabgaben an die Verwertungsgesellschaften. Wir müssen also über eine mögliche Ausgestaltung einer Kulturflatrate diskutieren, welche uns weiterhin Straffreiheit des Kulturkonsums (Download) garantiert. Dabei geht es um

  • ihre Administration,
  • ihre Höhe,
  • die Verteilung der Zahlungspflichten und
  • die Verteilung der Beiträge an die Rechteinhaber.

Administration einer Kulturflatrate

Die Administration der Verwertungsgesellschaften hat seit der Urheberrechtsrevision 1992 immer wieder zu Klagen Anlass gegeben. Die ProLitteris schaffte es jahrelang, mehr als 50 Prozent administrative Kosten zu generieren. Die Geschäftsführer der Verwertungsgesellschaften erzielen Gehälter von 200’000 bis 400’000 Franken pro Jahr, was auch schon einmal Anlass zu einer parlamentarischen Anfrage nach staatlicher Kontrolle ihrer Löhne gab, zum Beispiel durch ihre Aufsichtsbehörde, das IGE (Institut für Geistiges Eigentum). In den Jahren 2010-2012 erzielte Dr. Ernst Hefti von der ProLitteris sogar eine private Einnahme von fast 700’000 Franken, weil ihm der Vorstand dieser Genossenschaft zusätzlich zu seinem regulären Gehalt von 366’000 Franken eine auf drei Jahre verteilte ausserordentliche Pensionskassenzahlung in der Höhe von einer Million Franken bewilligte. Sonst müsse der arme Mann nach seiner Pensionierung von nur 28% seines früheren Gehalts (also rund 90’000 Franken pro Jahr) leben! Die Verwertungsgesellschaften haben sich in dieser Hinsicht immer der Kontrolle durch die Administration entzogen, indem sie ihre Doppelrolle als private Genossenschaften in den Vordergrund schoben, welche im Auftrag ihrer Mitglieder die kollektive Verwertung betreiben und daher nur diesen gegenüber rechenschaftspflichtig über ihre Administrationskosten seien. Ihre Mitglieder sind einerseits viele kleine Urheber, die praktisch nie an der Genossenschafterversammlung erscheinen, und andererseits einige wenige Verwerter (internationale Verlage, Labels, Studios), die mehr als 90% aller zu verteilenden Gelder kassieren und natürlich grosszügig mit der Verwaltung der Genossenschaft umgehen.

Wenn also eine flächendeckende Pauschalabgabe unter dem Titel Kulturflatrate eingeführt wird, müsste sie solche Missstände beim heutigen Umgang mit Pauschalabgaben beseitigen. Einerseits müssten die Verwertungsgesellschaften ihres öffentlichen Auftrags, Pauschalabgaben von der ganzen Bevölkerung einzuziehen, gänzlich enthoben werden. Als private, gewerkschaftliche Vereinigungen von Rechteinhabern zum Zwecke der kollektiven Verwertung können sie dann weiter führen, was ihre Mitglieder tolerieren. Aber sie hätten keinen Zugriff mehr auf allgemeine Abgaben und müssten ihre Angriffe gegen das Internet einstellen. Die 12 Gemeinsamen Tarife wären durch eine einzige Kulturflatrate zu ersetzen, deren Höhe angemessen festzusetzen ist und deren Bezahlung nicht unfairer Weise den Kleinunternehmen, Bildungseinrichtungen und den Blinden aufgebürdet wird. Die Festlegung der Höhe der Abgabe muss einer Form von öffentlicher Kontrolle unterliegen und nicht wie heute von einer Eidgenössischen Schiedskommission abschliessend bestimmt werden, deren Chefin dann im nächsten Jahr Geschäftsführerin einer Verwertungsgesellschaft wird.

Denkbar wäre etwa die Zusammenlegung der Kulturflatrate mit der Abgabe für Radio und Fernsehen, die ja neu mit den Steuern pro Haushalt eingezogen werden soll. Dadurch würden keine zusätzlichen Administrationskosten entstehen. Allerdings wäre dabei auf den Unfug zu verzichten, auch juristische Personen für abgabepflichtig zu erklären, deren Mitarbeiter ja schon alle ihre Abgabe einzeln bezahlt haben. Als Zahlstelle könnte dann zum Beispiel das IGE, das BAK oder das BAKOM fungieren, welche als öffentlich-rechtliche Einrichtungen einer sehr viel klareren politischen Kontrolle unterstehen als die Verwertungsgesellschaften heute.

Höhe der Abgabe

Die angemessene Höhe einer Kulturflatrate kann nicht gefühlsmässig bestimmt werden, indem man Jugendliche fragt, wieviel sie pro Monat zu geben bereit wären, wie das regelmässig in Diskussionen um eine Kulturflatrate geschieht. Solange das Urheberrecht und die Urheber selber darauf bestehen, für den Konsum bezahlt zu werden, statt wie sonst die arbeitende Bevölkerung für die Produktion – also für ihre Arbeit – , gibt es nur ein vernünftiges Mass, um die Höhe der Abgabe festzulegen: Die Höhe der durch freien Konsum und freie Privatkopie entgangenen Profite der Rechteinhaber. Das war interessanterweise sogar die gemeinsame Position aller Verwertungsgesellschaften an der IGE-Tagung 2011, als man darüber diskutierte, dass die Grösse des Speicherplatzes, die Anzahl Kopien, die Anzahl Streamings immer weniger als sinnvolles Mass für die Abgabenhöhe gelten kann. Denn ein einzelnes Smartphone hat bald schon eine Speicherkapazität für so viel Musik, wie man sie auch in tausend Jahren nicht anhören kann.

Man könnte die Höhe der entgangenen Profite auch noch gegenrechnen mit der Höhe der dank Straffreiheit des Konsums und Privatkopie gesteigerten Profite.

Verteilung der Zahlungspflichten

Heute sind die Zahlungspflichten sehr ungleich verteilt. Den grössten Teil bezahlt die arbeitende Bevölkerung pro Arbeitsplatz (Fotokopie, Leergut, Geräteabgabe, Netzwerkabgabe, …). Einen kleineren Teil bezahlen die Konsumenten (DVD-Rohlinge, Mobiltelefone, Weiterleitungsgebühren auf Kabelanschlüssen, obwohl beim Weiterleiten eigentlich kein neuer Konsumakt anfällt …). Ausserdem werden einige für Bildung und Wissenschaft wichtige Institutionen wie Schulen und Bibliotheken besonders stark belastet. Schliesslich sind dann einige seltsame Tarif-Einzelopfer zu verzeichnen, wie die jugendlichen Mobiltelefonkäufer und die Blinden.

Fairer wäre wohl ein einheitlicher Tarif pro Haushalt analog der Abgabe für Fernsehen und Radio. Dafür müssten die zusätzlichen Belastungen für Bildungseinrichtungen und der Behinderten völlig entfallen. Allenfalls könnte man einen Tarif pro transferiertem Bit ansetzen, was aber auch zu eher ungewollten Verzerrungen führt, die nichts mit Kultur zu tun haben.

Ein Problem einer allgemeinen „flachen“ Abgabe besteht darin, dass man damit alle dazu zwingt, jegliche Kultur zu unterstützen. So müssen Juden antisemitische Bücher, Menschen muslimischen Glaubens islamfeindliche Sendungen, Kleinunternehmer den Rocksong finanzieren, der ihre Vernichtung propagiert. Der Ruf nach „Ausgewogenheit“ der Kultur wird – wie beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen – nicht auf sich warten lassen. Am Ende wird die mit der Flatrate geförderte Kultur noch flacher.

Verteilung der Abgaben auf die Rechteinhaber

Schliesslich stellt sich das Problem der Verteilung. Heute gehen mehr als die Hälfte der Mitglieder der Verwertungsgesellschaften leer aus. Über 90 Prozent der Abgaben gehen an die ganz grossen, mehrheitlich im Ausland domizilierten Rechteinhaber für uralte Werke (Elvis Presley, Beatles, …), statt die heute neu entstehende Kultur zu fördern.

Die Verwertungsgesellschaften haben einen absolut undurchsichtigen Wust von tausenden von Formeln in ihren Verteilungsreglementen festgelegt, der sich auch einem formelerfahrenen Mathematiker nicht erschliesst. Diese Undurchschaubarkeit dürfte wohl Methode haben. Mit Hilfe solcher Reglemente kann man freche Einzelurheber zum Schweigen bringen. Die Buchhaltung stimmt ohnehin über mehrere Jahre nicht so genau. Nicht einmal die auf dem Web publizierten Summen in der Offenlegung der groben Buchhaltungszahlen durch die Verwertungsgesellschaften sind korrekt und weichen über Jahrzehnte beträchtlich ab von den in den Jahresberichten publizierten Zahlen. Nicht einmal bei Anhaltspunkten zu Unstimmigkeiten in der Buchhaltung kann sich die Aufsichtsbehörde gegen die private Funktion der Gesellschaften durchsetzen! Es wird also alles getan, um die intransparente Verteilung unter den paar grossen Brüdern zu ermöglichen. Am Ende wird auf Einschaltquoten, auf manipulierte Bestsellerlisten und auf die vom IFPI (Organisation der Plattenproduzenten) beeinflusste Hitparade referenziert. Als Basis dient also heute die fragwürdige Idee, dass die Verteilung der Pauschalabgaben proportional zur Auflagenhöhe, zur Popularität, sein müsse.
Die allerhöchste Anzahl Menschen erreicht natürlich Muzak, die unerwünschte Hintergrundmusik im Hauptbahnhof, in Aufzügen, in den Warenhäusern, im öffentlichen Raum beim Public Viewing, …

Diese Musik, die niemand stört – oder ausser mich niemanden zu stören scheint! –, ist also das Mass aller Dinge, wenn es darum geht, bei der Verteilung von Pauschalabgaben die Kassen klingeln zu lassen. Die mit der Flatrate finanzierte Kultur wird so immer flacher.

Wie man die Verflachung verhindern könnte

Wenn man nicht die Auflagenhöhe als Massstab für die Verteilung der Abgaben einer Kulturflatrate zugrundelegen will, wird es schwierig. Wer soll als Künstler gelten? Muss man in Zukunft ein staatlich zertifiziertes Mitglied der Kreativindustrie sein, um Ansprüche auf Beiträge aus der Kulturflatrate anmelden zu können? Oder kann sich einfach jeder Arbeitslose, jeder Rentner oder sonst jeder Unbeschäftigte, als beitragsberechtigter Künstler melden? Solche Horrorszenarien bewegen Organisationen von Urhebern wie den Verein Musikschaffende Schweiz dazu, sich laut und radikal gegen eine Kulturflatrate auszusprechen. Dafür nehmen sie lieber eine Kriminalisierung des Konsums und ihrer Fans in Kauf, damit sie mit Google eine Art Ablasshandel eingehen können, wobei sie für blosse „Nutzung“ bezahlt werden, auch wenn niemand ihre Musik anhört.

Es gäbe aber eine interessante Möglichkeit, eine Kulturflatrate für die allgemeine Bevölkerung akzeptabler zu machen: Jeder Beitragszahler wählt pro Jahr mit seiner Abgabe die Werke, die in den letzten zwei (fünf?) Jahren neu entstanden sind, die von seiner Abgabe bezahlt werden sollen. Damit würde die mehrfache Verflachung der Kultur durch eine Flachrate gestoppt: Die Kultur müsste nicht mehr ausgewogen sein, weil nun nicht mehr jeder alles unterstützen muss. Die Hintergrundmusik würde mit ihrer Flachheit nicht sämtliche anderen Werke verdrängen. Die Sonderbehandlung der Kultur im Gesetz würde dadurch gerechtfertigt, dass die Subvention tatsächlich dem Schaffen neuer kultureller Inhalte zugute kommt, und nicht den Töchtern von Loriot, der Witwe von Dürrenmatt, den Enkeln von Brecht oder den Urenkelinnen von Valentin.

Eine solche demokratisch legitimierbare Komponente in der Kulturförderung würde der Schweiz gut anstehen. Setzen wir uns also für eine Kulturflatrate mit Wahlmöglichkeit ein!

Correction by LeMatin of their article about Switzerland as pirate haven

On June 29, Le Matin published an article by Alexandre Haederli, “La Suisse accusée d’être un havre pour les pirates about the USTR (United States Trade Representative) 301 Report, where he not only omitted to mention that Switzerland isn’t mentioned in the USTR watch lists, but also attributed to the USTR communique accompanying the report a comparison between Spain and Switzerland where Switzerland was presented unfavorably. Digitale Allmend asked where this communique made this comparison, because it is not in the original USTR communique. The journalist recognized that the comparison was not in fact in the USTR communique, but in a press release by RIAA (Recording Industry Association America) about the report. The RIAA is an american organisation representing the record industry. They do not represent a government and there statement should not be taken as without specific interest for there own benefits

Unfortunately not an uncommon mistake in the heated debate on copyright. In particular due to the increased lobby efforts in recent months of the music industry and its lobbyst, who like to claim that Switzerland is seen abroad as a pirates’ lair. See e.g. Ms Géraldine Savary’s declaration in “Les musiciens suisses manifestent leur mécontentement face au téléchargement illégal” (RTS.ch 19:30 news bulletin, March 8, 2012) or Markus Naef’s interview in the NZZ, “Inakzeptable Laissez-Faire-Haltung des Bundesrates – Pirateninsel Schweiz im Fokus der Rechteinhaber.”

Journalists however should stick to the facts and have to ask critical question about the many poorly funded claims or inprecise statements of those actors.

On July 15, Le Matin accordingly published a “rectificatif” in its paper edition. However, the online version of Mr Haederli’s article remains unchanged. As the “rectificatif” is not online, we publish it here:

“La Suisse est accusée d’être un havre pour les pirates” (“Le Matin Dimanche” du 1er juillet 2012), nous expliquions que la gestion du droit d’auteur en Suisse était mise en opposition avec la situation prévalant en Espagne. Ce communiqué de presse a été publié par la RIAA (Recording Industry Association of America) et non par l’USTR (United States Trade Representative) comme indiqué par erreur. Nos excuses. LMD”

Cory Doctorow – The Politics of Copyright and the New Cultural Economy (Video + Podcast)

Der Science Fiction Autor und politische Aktivist Cory Doctorow war am 6. Dezember im Walcheturm und sprach über die Politik des Urheberrechts und seine Erfahrungen mit der freien Kultur.

Cory Doctorow ist einer der profiliertesten Kenner beider Materien, er arbeitete unter anderem als Europäischer Repräsentant der Electronic Frontier Foundation (EFF) und hat über 7 Romane publiziert, zuletzt “Makers” und “For the Win”. Die neueste Veröffentlichung ist die Aufsatzsammlung “Context: Selected Essays on Productivity, Creativity,Parenting, and Politics in the 21st Century”.
Auf Deutsch erschienen ist u.a. “Little Brother”.

Cory Doctorow ist auch ein brillanter Redner. Es war also nicht nur für einen interessanten sondern auch unterhaltsamen Abend gesorgt.

Die Veranstaltung wurde von der Digitalen Allmend, in Zusammenarbeit mit der Vertiefung Mediale Künste (ZHdK), Dock18, Walcheturm und Wikimedia Schweiz organisiert. KulturTV, Roger Levy, hat die Veranstaltung mit seiner Kamera begleitet.

Podcast: Der Vortrag steht auch als Podcast (nur Audio, ohne Bild) zur Verfügung bei KulturTV

EU plant längere Schutzfristen für Musik

Die EU-Kommission überlegt sich, die Leistungsschutzrechte für Musikaufnahmen rückwirkend von 50 auf 95 Jahre zu verlängern. Anders als die Urheberrechte, welche einen Schutz von 70 Jahren nach dem Tod des Autors geniessen, gelten die hier betroffenen Leistungsschutzrechte in der EU momentan 50 Jahre ab Veröffentlichungsdatum eines Werkes.

Mehr dazu auf iRights.info, ORF.at, heise online und Golem.de.

restorm meets CC

restorm COM Banner
Am gestrigen Anlass der Digitalen Allmend (TEAM_CC) im Cabarait Voltaire, stellte Theo Favetto zusammen mit der Band Pinode, das neu in restorm.com integrierte CC_Feature von restorm vor. Jeder Künstler, jede Band oder Interpret kann jetzt seine Songs unter Creative Commons Lizenzen publizieren.
Dieser Meilenstein wurde mit einem LiveAcousticSet von Pinode gebührend gefeiert, wobei der Song Bassex als erster restorm CC_Song in die Geschichte von restorm&CC ging.

Nur zwei Klicks sind nötig, und die Lizenz ist integriert:

Was ist überhaupt restorm.com?

restorm.com baut an der Infrastruktur für eine neue Musikindustrie. Die Plattform verbindet Musiker, Fans, Konzertveranstalter, Labels und Medien. Jungen, ambitionierten Musikern bieten wir eine Infrastruktur, um in der Musikwelt weiter zu kommen. Für etablierte Künstler wiederum ist restorm.com eine wirksame Promotions- und Verwertungsplattform.

Über uns: restorm ist eine unabhängige Plattform. Wer hier arbeitet liebt Musik in allen Ausprägungen, manchmal auch in unheimlichen… Wir fordern und fördern Musik aus eigenem Interesse, spielen teils selbst in einer Band.
Trotzdem sind auch für uns unromantische Faktoren wie Werbeerträge relevant. Wir folgen jedoch nur so weit dem Diktat der Zahlen, so lange sich dies mit restorm und damit unserer Philosophie deckt. Und diese will die Musikszene fördern, Bands und Fans näher zusammen bringen!

Fragen?
Kontakt

Nutzungs- und Verwertungstarife

Übersicht zur Kollektivverwertung im Urheberrecht

(Schweiz)

    Stand: 6. Februar 2008, erstellt von Philippe Perreaux

In diesem Beitrag geht es um die Kollektivverwertung im Urheberrecht. Es handelt sich um eine Übersicht die als Zusammenstellung dem Auffinden der in diesem Zusammenhang existierenden Tarife der Verwertungsgesellschaften dient.

Kollektivverwertung, PDF Download


Internetradios – IFPI will Geld fürs kopieren von Song (Update)

Im Dezember hat die IFPI Schweiz wieder einmal Briefe mit massiven Forderungen versendet. Nach den DJs und Restaurants haben nun Internet-Radios massive Forderungen zur Zahlung von Gebühren für das Kopieren von Musikstücken ihrer Mitglieder erhalten. Dabei verweist die IFPI auf den Art. 36 des Schweizerischen Urheberrecht.

Die IFPI verlangt, dass Internetradio-Betreibende einen Vertrag unterschreiben. Zentraler Punkt sind dabei die Kopierrechte:

xyz.ch wird non-exklusiv das Recht gewährt im Rahmen der eigenen Internet-Programme von den Tonträgern der Mitglieder der IFPI sowie den darauf enthaltenen Aufnahmen die erforderlichen Überspielungen (technisch notwendige Festplattenkopien) für die Zugänglichmachung (Wahrnehmbarmachung) beziehungsweise “Verbreitung” im Internet herzustellen.

DRM darf nicht umgangen werden und kann wohl nicht mehr abgespielt werden in einem Internetradio:

Ein allfällig vorhandener Kopierschutz darf nicht “geknackt” werden.

Der Text der Briefe ist nicht wirklich ziemperlich und es wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass die IFPI Recht hat und die notwendigen Rechte an der gespielten Musik hat. Die Fristen sind zur Vertragsunterzeichnung sind immer auch sehr kurz.

Die Tarifbasis pro Jahr gemäss des Vertrages:

  • Fr. 0.002 pro Title und Hörer
  • Upload (Vervielfältigung): Fr. 1.00 pro Titel
  • 4% der Werbe- und Sponsoringmassnahmen
  • Administrationsgebühren: Fr 500.-
  • Mindestentschädigung: Fr 3’000.- Grundgebühr zuzüglich Fr. 200.- pro Kanal
  • Interessant wäre zu wissen, ob und wieviel der Einnahmen die IFPI dann auch wirklich an die Labels weiterleiten würde.

    Für viele Internetradios die sehr klein sind ist die Gebühr zu hoch. Sie müssen, falls die Gebühren für die von Ihnen gespielte Musik berechtigt ist, entweder ihr Program anpassen oder wohl aufhören.

    Der Vertrag kann nun auch online bei Swissradio angesehen werden. Swissradio hat auch geantwortet.
    Teile des Briefes und Vertrag:01/09:02/09:03/09:04/09:05/09:06/09:07/09:08/09:09/09

    Die IFPI Gebühr sind nicht die einzigen Kosten für Urheberrechte. Auch Kosten bei der SUISA können anfallen.

    Update
    Die IFPI hat nun schon auf den Brief von Swissradio geantwortet (1/2).<

    IFPI mal anders: «inspiring people to share!» ;) [Update]

    Die IFPI ist immer wieder gut für Überraschungen. Nach dem unfreiwilligen Redesign von ifpi.com erstrahlt seit diesem Montag nun auch die Website www.musikindustrie.de, die von der Deutschen IFPI-Sektion unterhält wird, in neuem Gewand.

    Auf der Homepage prangert gleich unter dem neuen Logo ein grosser Countown, der dem Besucher vor Auge führen soll, wie viele illegale Downloads seit Anfang Jahr getätigt wurden. Was die IFPI genau darunter versteht und wie sie auf diese Zahl kommt steht leider nirgends.

    Erst wenn man sich den Quelltext der Website anschaut, die auf dem freien CMS Typo3 basiert, erhält man einen Hinweis, wie das mit dem Download-Zähler gemeint sein könnte. In der 7. Zeile des Quellcodes steht nämlich folgendes:

    This website is powered by TYPO3 – inspiring people to share!

    [Update]:
    Auf Nachfrage hat uns Sylvia Reitz vom Bundesverband Musikindustrie e.V. mitgeteilt, dass der Downloadzähler auf musikindustrie.de auf der Zahl der illegalen Downloads im Jahr 2006 basiert, welche die IFPI in ihrer Brennerstudie ermitteln liess. An dieser Studie, die von der Gesellschaft für Konsumentenforschung (GfK) durchgeführt wurde, nahmen 10’000 Peresonen teil. Mehr Infos dazu in diesem Artikel auf Spiegel Online.

    Frankreich mit neuem anti-piracy plan

    soeben in bbc news/technology gelesen:

    französische Internet-User, welche beim ‘pirating’ von Filmen oder Musik erwischt werden, könnten schon bald vom Netz getrennt werden.
    Gemäss dem Artikel wird eine neue unabhängige anti-piracy Behörde geschaffen, welche von den Kontrollfirmen der Musik- und Filmindustrie bei Verstössen kontaktiert wird.
    Nach einer unwirksamen Warnung, wird filesharern mit einer Trennung oder Suspendierung vom Netz gedroht….
    Natürlich ist die IFPI euphorisch über diese Schritte.