Urheberrechtsgespräch 2014 beim Institut für Geistiges Eigentum (IGE)

Kurzbericht von Hartwig Thomas

Die Urheberrechtsgespräche des IGE finden einmal jährlich statt. Anwesend waren rund 50 Teilnehmer verschiedener am Urheberrecht interessierter Kreise. Diese konnten zu Themen referieren, die sie zum Urheberrecht ins Gespräch bringen wollen. Auf jedes Referat folgt eine Diskussion.

Agenda
1. Begrüssung
2. Vortrag: Dominique Diserens: Recht auf angemessene Entschädigung
3. Vortrag: Christoph Schütz: Lichtbildschutz
4. Vortrag: Peter Mosimann: Durchsetzung von Schranken im digitalen Umfeld
5. Vortrag: Hartwig Thomas: Urheberrechtsanmassung – Copyfraud
6. Varia

Zu 2. und 5. wurden schriftliche Unterlagen an die Teilnehmer verschickt.

1. Begrüssung

Felix Addor eröffnete die Sitzung und hielt fest, dass es in der Sitzung nicht um AGUR12 gehen werde. Der AGUR12-Schlussbericht ist veröffentlicht und an Bundesrätin Simonetta Sommaruga übergeben worden. Der Bundesrat hat noch nicht mitgeteilt, was mit dem Bericht geschehen wird. Die Interpellation Gutzwiller fordert den Bundesrat auf, seine Beurteilung des Berichts und die nächsten Schritte bekanntzugeben. Der Bundesrat wird die Interpellation im Nationalrat am 02.06.2014 beantworten.

Ausserdem ist die parlamentarische Initiative „Schluss mit der ungerechten Abgabe auf leeren Datenträgern“ in der WAK-NR zwar abgelehnt worden, dafür eine Kommissionsmotion (wusste nicht, dass es so was gibt – man lernt nie aus!) lanciert worden, die den Bundesrat beauftragt, Alternativen zur aktuellen Abgabe auf leeren Datenträgern zu unterbreiten.

Schliesslich erwähnt Felix Addor drei EuGH-Urteile
27.03.14: Zugangssperren können mit den Grundrechten vereinbar sein.
08.04.14: Vorratsdatenspeicherung kann mit Privatsphärenschutz kollidieren.
10.04.14: Download aus illegaler Quelle ist illegal [muss aber nicht unbedingt verfolgt werden HT].

Generell ist zu bemerken, dass das Geistige Eigentum die Politik bewegt und eine Flut von Eingaben vom IGE bearbeitet werden muss.

2. Vortrag: Dominique Diserens: Recht auf angemessene Entschädigung
Frau Diserens fordert ein Urhebervertragsrecht und ein im Gesetz verankertes Recht auf angemessene Entschädigung. URG Art 16a würde dann neu lauten:

1. Jedes Nutzungsrecht kann vom Urheber oder seinen Erben nur gegen eine angemessene Vergütung übertragen werden. Dieser Anspruch auf Vergütung ist nicht abtretbar und unverzichtbar.

2. Steht die vertragliche Vergütung in einem Missverhältnis zur Intensität der Nutzung, haben der Urheber oder dessen Erben Anspruch auf zusätzliche Vergütung.

Dieser Vorschlag war schon in der AGUR12 eingebracht worden, wo er keine Mehrheit fand.

Meine Frage, ob damit CC-Lizenzen verboten würden, wurde etwas spitzfindig damit beantwortet, dass man mit CC-Lizenzen keine Nutzungsrechte abtrete.
Der Vorschlag ist ein massiver Eingriff in die Vertragsfreiheit, der auch die Meinungsfreiheit streifen dürfte.

3. Vortrag: Christoph Schütz: Lichtbildschutz
Christoph Schütz und seine USPP stören sich an der Unterscheidung zwischen geschützten Foto-“Werken“ und Fotos ohne Urheberrechtsschutz – insbesondere die wenigen Urteile zu dieser Frage wenig überzeugend sind. Er möchte, dass alle Fotos einem „verwandten Schutzrecht“ unterstellt werden.
Das sei in vielen Ländern Europas heute die Norm.

In der Diskussion habe ich gelernt, warum man die „verwandten Schutzrechte“ des Schweizer URG nicht als „Leistungsschutz“ bezeichnen sollte. Richtiger wäre „Interpretenschutz“. Es geht nicht um das Erbringen einer Leistung – das tut jeder ehrlich arbeitende Mensch, ohne vom Urheberrecht geschützt zu werden – sondern um die Interpretation – etwa des Drehbuchs durch Regisseur und Schauspieler, oder der Komposition durch Musiker. Die Interpreten erbringen offenbar auch eine kreative Leistung, wenn auch anscheinend etwas minderer Art, wie man am Schutzfristenvergleich zwischen Urheberrechten und verwandten Schutzrechten ablesen kann. Darum werden sie im Urheberrecht geschützt. Für einen „Leistungsschutz für Zeitungsverleger“, wie er 2009 vom SP-Präsident Hans-Jürg Fehr im Postulat „Pressevielfalt sichern“ gefordert wurde, ist im URG kein Platz.

4. Vortrag: Peter Mosimann: Durchsetzung von Schranken im digitalen Umfeld
In diesem interessanten Vortrag werden zwei Fehlentwicklungen des Urheberrechts vorgestellt und ein Vorschlag zu deren Behebung präsentiert, der offenbar in der AGUR12 auch keine Mehrheit fand.
Im ersten Teil ging es um explodierende Kosten für das Kopieren wissenschaftlicher Artikel durch Bibliotheken. Im zweiten Teil ging es um Mehrfachbelastungen durch die Kollektivverwertung bei Streaming am Beispiel von spotify. Im von Mosimann zitierten, abgeschmetterten AGUR12-Vorschlag des DUN zu einem neuen Artikel 28bis des URG wird das „Fehlen einer Aufsicht über das Verwertungs- und Vergütungssystem“ bemängelt.

Die für mich schockierendste Graphik dokumentierte die Kosten der Schweizer Universitätsbibliotheken für wissenschaftliche Artikel. Diese nahm in den letzten Jahren laufend zu und stieg 2011, im letzten Jahr der Statistik, um 100% auf das Doppelte des Vorjahrs an (von ca. 6 Mio CHF 2010 auf ca. 12 Mio CHF 2011 ) an.

5. Vortrag: Hartwig Thomas: Urheberrechtsanmassung – Copyfraud
Ich habe die massive Zunahme von Copyfraud an verschiedenen Beispielen dargestellt:

  • UEFA zensiert Dokumentation der Greenpeace-Aktion im Basler Stadion auf YouTube am Tag nach der Aktion unter Berufung auf Urheberrechte, obwohl „News“ gemeinfrei sind.
  • Der Diogenes-Verlag behauptet standfest – auch nach Anfragen – , dass das Urheberrecht an Kafkas Texten bei ihm liege, obwohl diese Texte gemeinfrei sind, weil Kafka 1924 gestorben ist.
  • Eine obskure amerikanische Firma beansprucht Urheberrecht am Hintergrundsrauschen eines privaten Videos, der den Überflug eines AKW beinhaltet, unter dem Titel „Nuclear Sound“.
  • Das Landesmuseum hat ein Plakat „Marie Curie im Labor“ zur Ausstellung 1900-1914 mit einer Fotografie publiziert, die mit dem Vermerk „1905, Fotograf unbekannt, © Bettmann/Corbis“. Der Vermerk bezieht sich eindeutig auf die Fotografie und nicht auf das gestaltete Plakte. Die Fotografie ist schon längst gemeinfrei.

Fazit
Copyfraud ist eine unrechtmässige private Aneignung geistigen Allgemeinguts.
Die Proliferation von Copyfraud mindert den Respekt vor berechtigten Urheberrechtsansprüchen.
Copyfraud kann praktisch nicht sanktioniert werden. Nur Ignorieren mutmasslich falscher Urheberrechtsanmassungen hilft.
Copyfraud wird von strengem Urheberrechtsschutz gefördert. Wer sich im Zweifelsfall ein unberechtigtes Urheberrecht anmasst, muss nicht mit denselben Sanktionen rechnen, wie jemand, der ein berechtigtes Urheberrecht verletzt.
Beim von der AGUR12 vorgeschlagenen Notice-Takedown-Verfahren ist darauf zu achten, dass es den Copyfraud nicht fördert.
Alle Massnahmen zum Schutz privaten geistigen Eigentums sollten auch zum Schutz des öffentlichen geistigen Eigentums eingesetzt werden.

In der Diskussion wird festgestellt, dass es sich um ein relativ unbekanntes Thema handelt. Es gibt nur ein Buch, das sich mit Copyfraud beschäftigt. Eigentlich sei der Missbrauch und die Anmassung in anderen Bereichen des geistigen Eigentums (Marken, Patenten, …) noch viel schlimmer. BioPiracy wird erwähnt. Das Abmahnwesen in Deutschland, das eine Folge der Kriminalisierung des „illegalen“ Downloads ist, lebt zu einem beträchtlichen Teil von ungerechtfertigten Urheberrechtsanmassungen. Dass man Urheberrechtsanmassungen bekämpfen müsse, wird nicht bestritten.

6. Varia
Unter Varia wurde gefragt, worum es bei der im Bericht des IGE erwähnten teilweise gutheissenen Beschwerde gegen eine Verwertungsgesellschaft ging. Die Antwort: Es handelte sich um ungenügende bis unrichtige Information der Mitglieder der Verwertungsgesellschaft bezüglich einer Tarifanmeldung.

Vorschläge zu Themen für das Urheberrechtsgespräch im April 2015 sollten bis Januar 2015 eingereicht werden.

Apéro
Nach der Sitzung habe ich im lockeren Gespräch mit Felix Addor erfahren, dass nächste Woche eine wichtige Patentrechtseinschränkung im Nationalrat unter dem Titel „Behandlungsfreiheit für Ärzte“ behandelt wird.

1. Mai 2014 Hartwig Thomas

Unsorgfältig recherchierte, einseitige Propaganda

In der NZZ am Sonntag vom 19.05.2013 und in den Online-Ausgaben der NZZ [1] schreibt Sarah Novotny, dass sich der Bund gezwungen sehe, den Raubkopien einen Riegel zu schieben, weil gemäss einem Bericht des Bundes jeder dritte Schweizer „es tue“. Nämlich das Herunterladen von Seiten wieUploaded.net und Rapidshare.com, ohne dass Künstler und Produzenten daran verdienen.

Diese Darstellung ist einseitig dramatisiert und schlecht recherchiert. Schon der Titel „Bund schiebt Raubkopien einen Riegel“ verkauft eine spekulative Diskussion als politisch umgesetzte Tatsache und wird gleich darauf vom Untertitel („Arbeitsgruppe schlägt vor …“) Lügen gestraft. Diese Arbeitsgruppe (AGUR12) [2] repräsentiert in keiner Weise den Bund sondern besteht aus einer eher lückenhaft ausgewählten Gruppe von Interessenvertretern, welche nicht für den Bund sprechen sondern ihre eigenen Partikularinteressen vertreten.

Dieselben Interessen werden offenbar auch von der Autorin des Artikels vertreten, welche mutig behauptet, ein Bericht des Bundes bestätige, dass jeder dritte Schweizer illegal hochgeladene Inhalte von Seiten wie Uploaded.net und Rapidshare.com beziehe. Beim angeführten Bericht des Bundes handelt es sich um die Pressemitteilung der bundesrätlichen Antwort auf das Postulat Savary [3]. In diesem wird eine niederländische Studie aus dem Jahr 2009 [4] zitiert, welche darauf schliessen lasse, dass „Rund ein Drittel der über 15-jährigen Schweizer hat Musik, Filme und/oder Games heruntergeladen, ohne dafür bezahlt zu haben.“ Dazu ist festzuhalten, dass es nicht illegal ist, Musik zu konsumieren, ohne dafür bezahlt zu haben. Im ShopVille am Hauptbahnhof Zürich werden täglich rund eine Million Menschen zu einem solchen Konsum gezwungen. Solchen Musikkonsum begehen also sicher mehr als ein Drittel aller Schweizer, „ohne dafür bezahlt zu haben“.

Aber Sarah Novotny denkt nicht an Muzak sondern möchte mit dieser Aussage wieder einmal das Internet dämonisieren und mithelfen, die Interessen der mächtigen amerikanischen Musiklobby gegen den Schweizer Gesetzgeber durchzusetzen. Die amerikanische Musikindustrie erhält beträchtliche Pauschalabgaben von allen Schweizern, ohne jemals Gegenrecht zu halten. Neuerdings hat sie eine flächendeckende Kampagne von Strafanzeigen gegen Filesharer lanciert [5]. Ihre Lobby hat sich offenbar zum Ziel gesetzt, das relativ liberale Schweizer Urheberrecht mit seiner Straffreiheit des Konsums und somit jeglicher Downloads zu bodigen, indem sie mit den klassischen konfrontativen amerikanischen Methoden gegen die Schweiz vorgeht, sie auf die Liste der Länder mit höchstem Piraterieverdacht setzt und dergleichen mehr. Die Schweizer Politiker knicken ja erfahrungsgemäss bei einer solchen amerikanischen Attacke immer schnell ein und schwenken auf vorauseilenden Gehorsam um. Offenbar soll die schweizerische Straffreiheit des Kulturkonsums auf dieselbe Stufe gestellt werden, wie das hiesige Bankgeheimnis und auf dieselbe Weise bekämpft werden. Indem die Vertreter der USA mit allen Rohren darauf schiessen, soll ein kleines Land gezwungen werden, den privaten Kulturkonsum der Bürger für die amerikanische Unterhaltungsindustrie feinmaschig zu überwachen wie es deren private Banktransaktionen feinmaschig für die amerikanische Steuerbehörde mundgerecht aufzubereiten hat.

Die Journalistin hat in ihrem Bericht unterschlagen, dass in der Pressemitteilung des Bundes relativ vorsichtig argumentiert wird, inwiefern man die niederländischen Resultate auf die Schweiz übertragen kann. Ebenfalls unberücksichtigt liess sie die Tatsache, dass sich die Verhältnisse seit 2008 (Erhebungszeitraum der Studie) kaum auf heute übertragen lassen. Denn der Konsum hat sich wegen des Aufkommens von Streaming, wo keine „illegalen Kopien“ mehr hergestellt werden, stark verändert. Ausserdem haben die legal von Urhebern und Produzenten den Nutzern mit freien und offenen Lizenzen (Creative Commons) zum Gratiskonsum zur Verfügung gestellten Inhalte stark zugenommen. Letztere werden zwar konsumiert, ohne dass dafür bezahlt wird. Das kann aber wohl den jugendlichen Internetnutzern ebensowenig zum Vorwurf gemacht werden, wie das Gratis-Betrachten eines Coca-Cola-Plakats am Strassenrand. Schliesslich hat die Journalistin einen unzulässigen Zusammenhang zwischen unbezahltem Musikkonsum und dem Besuch von Seiten wie Uploaded.net und Rapidshare.com hergestellt. In der zitierten Pressemitteilung des Bundesrats ist davon nicht die Rede und die niederländische Studie, auf welcher sie beruht, erfasst gerade solche Besuche „illegaler Uploads“ nicht.

Die von Sarah Nowotny benutzten Quellen werden vollends einseitig zitiert, wenn man die Frage der Bezahlung von Urhebern und Produzenten ins Zentrum stellt wie es ihr Artikel tut. Denn die Antwort des Bundesrats führt aus, „dass sich gesamtwirtschaftliche Nachteile durch die unerlaubte Nutzung von Werken über das Internet nicht eindeutig nachweisen lassen“. Diese Behauptung ist auch schon in der zugrundeliegenden niederländischen Studie statistisch untermauert. Diese geht sogar einen Schritt weiter und stellt fest, dass mindestens bei Games der bezahlte Konsum deutlich ansteigt mit der Teilnahme an Filesharing. Die Urheber und Produzenten ziehen also einen finanziellen Nutzen aus den unbezahlten Downloads, weil diese beträchtliche Werbeausgaben einsparen.

Die unausgekochten Vorschläge der Lobby-Arbeitsgruppe AGUR12, die Provider zur flächendeckenden Überwachung der Inhalte aller privat besuchten Internetseiten zu verpflichten, sind also mit höchster Vorsicht zu geniessen.

[1] http://www.nzz.ch/aktuell/startseite/bund-schiebt-raubkopien-einen-riegel-1.18083979 .

[2] https://www.ige.ch/urheberrecht/agur12.html .

[3] http://www.ejpd.admin.ch/content/dam/data/pressemitteilung/2011/2011-11-30/ber-br-d.pdf .

[4] http://www.governo.it/Presidenza/antipirateria/audizioni/audizione_ALTROCONSUMO_allegato2.pdf .

[5] http://www.safe.ch/155.html?&L=ulcuaevsnopa . Man beachte auch das Organigramm von SAFE!

 

Das Bundesgericht und die Webcrawler

Bessere Responsezeiten dank Benutzeraussperrung

 Nachdem ein Rechtsanwalt bemerkt hatte, dass man Bundesgerichtsentscheide (BGE) nicht mittels Google-Recherche finden konnte[1], erklärte das Generalsekretariat des Bundegerichts auf Anfrage seine Publikationsstrategie in Bezug auf Suchmaschinen wie Google in einem technisch komplexen Antwortschreiben.

Darin wird begründet, dass die Indexierung von BGE unterbunden wurde, weil die Indexiermaschinen den Server des Betreibers so stark belastet haben, dass dessen Antwortzeiten nicht mehr dem Service Level Agreement mit dem Bundesgericht entsprachen.

Der Betreiber beschloss deshalb nicht etwa, die Kapazität seiner Server zu erhöhen, weil die BGE offenbar so intensiv abgefragt werden, sondern untersagte kurzerhand sämtliche Auffindbarkeit mittels Google und anderen Suchmaschinen. Dies führte denn auch zum gewünschte Resultat. Da niemand mehr einen BGE finden konnte, nahm die Belastung des Servers deutlich ab und seine Antwortzeit nahm wieder sehr befriedigende Werte an. Eine Website ohne Benutzer hat wunderbar prompte Antwortzeiten.

Im Antwortschreiben des Bundesgerichts wird zugestanden, dass das Indexierverbot auf jeder Seite der BGE der angestrebten Transparenz bei Leitentscheiden widerspricht und seither für diese aufgehoben wurde. Die Blockierung der Indexierroboter (mit der Anweisung Disallow in einer Datei robots.txt für die ganze Website) wird aber aus Angst vor der Denial-of-Service-Attacke durch die bösen Webcrawler weiterhin aufrechterhalten. Damit werden BGE auch in Zukunft nicht über Google auffindbar sein, da dieser Suchmaschinenbetreiber normalerweise solche in Branchenkonventionen festgelegten Blockierungswünsche respektiert.

Schliesslich geht das Antwortschreiben noch auf die Unterbindung der Indexierung von „weiteren Urteilen ab 2000“ ein. Diese Datenbank diene „rein der Transparenz“, betreffe die Rechtsprechung aber nicht, weil sie keine in der amtlichen Sammlung BGE veröffentlichten Urteile enthalte. Darum sei sie nicht für Recherchen gedacht und ihre Indexierung durch Google unerwünscht, weil man befürchtet, dass sonst die „Öffentlichkeit mit Abertausenden von repetitiven Urteilen überschwemmt“ werden könnte. Der hier vorgestellte Transparenzbegriff entbehrt nicht einer gewissen Komik, da die Öffentlichkeit bis anhin recht problemlos mit der Überschwemmung von Milliarden indexierter Webseiten weltweit zurechtkommt. Gerade bei einer grossen Anzahl von Urteilen kann nur eine indexierte Recherche zum „transparenten“ Auffinden eines konkreten Urteils verhelfen.

Der unerwünschte Nebeneffekt dieser Blockade ist die Tatsache, dass sowohl BGE Leitentscheide als auch „weitere Urteile ab 2000“ nur mit Suchmaschinen gefunden werden können, die sich nicht an die Konventionen der Branche halten. Damit bewirkt das Bundesgericht eine massive Marktverzerrung zugunsten der unbotmässigen Anbieter von Suchmaschinen. Schwarze Schafe unter den Crawlern werden solche Konventionen ohnehin nicht respektieren und können nur in der Firewall abgefangen werden. Es ist dem Bundesgericht zu empfehlen, sowohl BGE Leitentscheide als auch „weitere Urteile ab 2000“ ohne Einschränkungen allen Suchmaschinen zugänglich zu machen und allenfalls die Kapazität seiner Server zu verbessern, wenn seine Publikationen so intensiv abgefragt werden, dass die Antwortzeit darunter leidet.

Kühe, Untertitel und Urheberrecht

Über Claude Almansis kurze Analyse von Medien im Internet:

Ich habe den schönen Titel von Claude Almansi geklaut. Die hübsche Alliteration der englischen Version [1] ging dabei leider verloren.

Jedesmal wenn ich ein Link auf Video oder Sound erhalte, stelle ich es erst mal zurück. Und das nicht nur wegen dem Kopfhörergebot im Mehrpersonenbüro. Das Ärgerliche an diesen Medien ist, dass sie unkomprimierbare Lebenszeit fressen. Zwar haben Mitglieder von Filmfestivaljurys gelernt, Filme auch kompetent zu beurteilen, die sie in doppelter Geschwindigkeit visionieren. Aber das Medium sträubt sich gegen das Auffinden einzelner Stellen, gegen das Zitieren kurzer Ausschnitte und kommuniziert Lerninhalte deutlich schlechter als Text + Bild. Es kennt keine Inhaltsverzeichnisse und kein Sachregister, ist nicht volltext-indexierbar und wird darum selten gefunden, wenn man nach Sachinformation sucht. Die neue Vorschaubildchenfunktion hat zwar einen deutlichen Fortschritt gebracht, löst aber die angeführten Probleme für Video kaum und für Sound überhaupt nicht.

Diese Tatsache dient Claude Almansi als Ausgangspunkt ihres amüsanten Plädoyers für ungehinderte Untertitelung. Untertitel verschaffen Bewegtbild + Ton viele Vorteile, die sonst nur Text + Bild vorbehalten sind. Der Grundsatz, dass für Menschen ohne Behinderung gut ist, was für Menschen mit Behinderung gut ist, bewährt sich hier einmal mehr.
Ausserdem geht multilinguale Untertitelung weit über einfache Barrierenfreiheit hinaus und bewältigt eine multikulturelle Kommunikationsaufgabe, die von Wikipedia heute erst langsam in Angriff genommen wird.

Wie bei allen Internet-Themen stellen sich dem löblichen Unterfangen technische und juristische Hindernisse in den Weg. Die technischen Ansätze werden von Claude ausführlich besprochen. Das juristische Problem scheitert an der WIPO, die seit Jahren den Auftrag hat, das Urheberrecht zugunsten von Menschen mit Behinderungen einzuschränken und diesem Auftrag bis heute nicht nachgekommen ist [2]. Warum das so ist, entnimmt man einer kleinen Anekdote von Claude:

Ich nahm an einem WIPO-Treffen teil zu diesem Abkommen für Blinde und Lesebehinderte. Eine französische Dame vertrat die europäischen Presseverleger und wehrte sich sehr heftig dagegen. Deshalb fragte ich sie in einer Kaffeepause, warum sie so stark gegen Blinde eingestellt sei – war sie vielleicht einmal von einer blinden Person verletzt worden? Sie sagte nein, aber sie sei aus Prinzip gegen JEGLICHE Urheberrechtsschranken, „weil Google News [geistiges Eigentum] klaut …“

Was das Ganze nun mit dem Verdauungstrakt der Kühe zu tun hat, findet man im Originalbeitrag von Claude Almansi.

Muzak Flatrate

Die Musik Flatrate – das Schweizer Modell überschrieb Gerd Leonhard seinen offenen Brief vom 1. Juni 2012 an die Rechteinhaber, Verwertungsgesellschaften, Verbände von Musikschaffenden und Musikproduzenten und an den Bundesrat, in welchem er eine neue Lizenz für online verbreitete Musik vorschlägt. Postwendend erhielt der Futurist und Musiker von den Verwertungs­gesellschaf­ten, den Verbänden der Musikindustrie und dem Verein Musikschaffende Schweiz, die vorgeben, für die Direktbetroffenen zu sprechen, die Antwort, dieses neue Konzept sei eher eine Schnappsidee als ein Segen. Dabei würde Leonhards Vorschlag gerade den grossen Labels, den vermeintlichen Profiteuren einer Verschärfung des Urheberrechts, nützen, welche die seichteste Hintergrundmusik, auch Muzak genannt, auf Kosten echter Musik fördern wollen.

Hier soll es für einmal nicht um die ewig-gestrigen Argumente der „Enteignung“ gehen, wie sie von den Gegnern Leonhards wieder mal angeführt werden. Dieselbe Regelung für das Radio wird von denselben Organisationen kräftig ausgebeutet, ohne dass jemals von Enteignung die Rede ist. Das „Eigentum“ an veröffentlichter Musik kann nur beanspruchen, wer auch die Verantwortung dafür übernimmt, dass die Menschen von ihnen unerwünscht aufgedrängter Beschallung mit seiner Musik verschont bleiben. Stattdessen möchte ich Leonhards Vorschlag etwas ergänzen.

Leonhard schwebt eine Zukunft vor, wo Musik flüssig und allgegenwärtig verfügbar ist, wie das Wasser, das aus dem Wasserhahn strömt. Natürlich bezahlen Hausbesitzer, Mieter etc. für die Infrastruktur des Wassers pauschale Preise, aber der einzelne Bezug von Wasser erscheint dem Konsumenten gratis. Dafür schlägt er eine obligatorische Pauschallizenz vor, welche den Nutzern eingeräumt wird, damit sie musikalische Inhalte online anbieten dürfen. Die Musiker und die Musikindustrie räumten in den dreissiger Jahren dem Radio eine Pauschallizenz für das Abspielen beliebiger Schallplatten ein. Gemäss Leonhard sollen die Uploader im Internet gleich behandelt werden, wie das Radio schon seit fünfzig Jahren. Die Symbiose mit dem Radio hatte sich für die Musikindustrie ja durchaus gelohnt.

Die Schweiz ist weitherum das einzige Land, wo der Download von Musik – wie übrigens auch das Radiohören – nicht strafbar ist. Das hat den unschätzbaren Vorteil, dass die Plattenindustrie hierzulande die alleinerziehenden Mütter von 14-jährigen Töchtern nicht mit Abmahnungen und Gerichtsverfahren terrorisieren kann, dass unsere Pausenplätze nicht kriminalisiert werden, und dass den Labels und Musikern nicht das Recht eingeräumt wird, alle privaten Providerdaten und jeden PC, jedes Notebook und jedes Smartphone zu durchschnüffeln. Dafür bezahlen die Schweizer schon heute eine Art Musik Flatrate von 150’000’000 Franken pro Jahr, die von den Verwertungsgesell­schaf­ten in Form von Pauschalabgaben auf Leerdatenträgern, Geräten, Netzwerkgebühren für Firmen und Spezialgebühren für Blindenbibliotheken abverlangt werden. Die Musikindustrie, der Verein Musikschaffende Schweiz und eine Reihe von Parlamentariern möchte diesen Zustand gerne ändern, die fortschrittliche Schweizer Version abschaffen, wie im Rest der EU die flächendeckende strafrechtliche Bedrohung aller Bürger durch die Rechteinhaber einführen und damit die freie Meinungsäusserung abschaffen.

Leonhards Vorschlag will dagegen über die Straffreiheit des Downloads hinaus sogar eine potenzielle Straffreiheit des Uploads einführen. Wer Musik ins Internet lädt, soll in Zukunft die Erlaubnis dazu mit einer einfachen, pauschalen Abgabe bezahlen können. Wie iTunes es den Konsumenten (Downloadern) einfach machte, für Musik zu bezahlen, soll diese neue Flatrate es den Nutzern (Uploadern) einfach machen. Die Höhe der Flatrate wäre so anzusetzen, dass sie die Ausfälle der Musikindustrie deckt. Überraschenderweise kommt er auf rund 150’000’000 Franken pro Jahr, wie sie schon heute an die Verwertungsgesellschaften bezahlt werden und in deren exorbitanten Löhnen und den Taschen der wenigen ganz grossen Labels verschwinden, ohne dass die Musikschaffenden sich fair entschädigt vorkommen. Die Einführung einer solchen neuen Lizenz würde der Politik die Möglichkeit einräumen, mit dem Missständen bei den Verwertungsgesell­schaf­ten Schluss zu machen und sie von ihren öffentlich-rechtlichen Aufgaben zu befreien, damit sie sich ganz ihrer Hauptaufgabe, der kollektiven Verwertung der Werke ihrer Genossenschafter, widmen können.

Die alles entscheidende Frage ist aber, ob dieser Vorschlag zu einer fairen Entschädigung der Musikschaffenden führt. Das ist nicht unbedingt gleichzusetzen mit einer fairen Entschädigung für die Rechteinhaber, da die meisten Musikschaffenden zu eher unfairen Vereinbarungen mit den übermächtigen Labels gezwungen wurden. Und hier entpuppt sich die vorgeschlagene Musik Flatrate als unzulänglich. Die Verteilung der Einnahmen soll nämlich proportional zu den Downloads (Streaming etc.) erfolgen. Damit wird die der grössten Menge mit der grössten Anzahl Wiederholungen vorgedudelte Hintergrundmusik auf Werbebannern und an öffentlichen Plätzen, die unfreiwillig konsumiert wird, am meisten belohnt. Die visionäre Musik Flatrate degeneriert so zur Muzak Flatrate.

Das Bild „Musik flüssig und allgegenwärtig wie Wasser“ beschreibt nämlich Muzak, die repetierbare Konservenform der Musik, wie wir sie aus Warenhäusern, Aufzügen, Bahnhöfen, Werbebannern etc. kennen. Eigentliche Musik ist hingegen ein in der Zeit einmaliges und unrepetierbares temporales Ereignis. Sie schafft und verstärkt Identität in der Disco, in der Oper, beim Volkstanz, im Sport, im Konzert, in der Kirche, in der Werbung, in der Politik. Wir kaufen uns Konserven, um an das identitätsstiftende Erlebnis erinnert zu werden. Ohne dieses Erlebnis oder als reines Hintergrundgedudel sinkt sie aber schnell auf das Niveau von Muzak ab.

Die digitale Revolution hat der Musik ungeahnte neue Freiräume eröffnet. Waren die Vierteltontrompeten und der 31/32-Takt der New Don Ellis Band in den Siebziger Jahren noch revolutionär, so können wir heute bisher unbekannte Welten von Geräuschen, Harmonien und Rhythmen betreten, die man sich vor dem Siegeszug der digitalen Musik nicht einmal vorstellen konnte. Wir können eine Symphonie mit singenden Walfischen oder einen Online-Chor mit Millionen von Sängern aufführen. Statt der lächerlichen zwölf radiogerechten Dreiminutentracks pro CD gibt es heute auch 3-Sekunden- oder 24-Stundenevents. Und all diese echte, einmalige Musik – ob Live oder online – findet heute mehr Beachtung denn je. Die Einnahmen aus Konzerten sind in den letzten Jahren mit Wachstumsraten über 10% förmlich explodiert. Man kann sich nur wundern, warum denn die Musiker ein Problem mit ihrer fairen Entschädigung haben sollen. Betrifft das möglicherweise nur diejenigen Musiker, die mediokre Musik anbieten, die keine Identität stiftet? Warum sollten wir diese mit staatlicher Hilfe entschädigen und dafür die Schweizer Bevölkerung dem deutschen Abmahnwahnsinn aussetzen?

Um die Muzak Flatrate in eine richtige Musik Flatrate zu verwandeln, sollten wir also den Verteilungsmechanismus im Vorschlag von Gerd Leonhard ändern. Die Konsumenten sollen frei wählen können, welcher Musik die Einnahmen aus der Flatrate zukommen soll. Nur so kann man die heute schon bestehende übermässige Bevorzugung der unerwünscht aufgedrängte Muzak zugunsten einer fairen Entschädigung der Urheber wirklicher Musik ausgleichen.

Ein paar Überlegungen zu einer Kulturflatrate für die Schweiz

Bundesrätin Simonetta Sommaruga hat der Arbeitsgruppe AGUR12 den Auftrag erteilt, auch so etwas wie eine Kulturflatrate als Option in Erwägung zu ziehen, die den Rechteinhabern faire Entlöhnung und den Internetnutzern straffreien Konsum (Download) ermöglicht.

Die Idee einer Kulturflatrate stammt hauptsächlich aus Deutschland, wo Organisationen wie Attac oder die deutsche Piratenpartei sie seit mehreren Jahren und seit kurzem auch die Grünen propagieren. Dort zielt die Idee einer flächendeckenden pauschalen Abgabe vor allem darauf, den Abmahnwahnsinn zu beenden und die Benutzung des Internets zu entkriminalisieren.

In der Schweiz ist es selbst denjenigen Jugendlichen, die viel Musik herunterladen, kaum bekannt, dass hierzulande der Konsum (Download) kultureller Inhalte von Gesetzes wegen straffrei ist. So stark wirkt die Lügenpropaganda einer weltweiten Lobby! Der Upload von Werken, deren Rechte man nicht innehat, ist natürlich verboten. Teilnahme an einem P2P-Dienst wird sowohl als Download als auch als Upload eingestuft, und ist somit ebenfalls verboten. Wer legal Werke herunterlädt ist ausserdem in der Schweiz nicht verpflichtet, nachzuweisen, dass sie nicht auf illegalem Weg hinaufgeladen wurden. Mit dieser Regelung hat die Schweiz verhindert, dass man den Rechteinhabern den Zutritt zu jedem Provider, zu jedem Computer, zu jedem Mobiltelefon, zu jedem Schlafzimmer gewähren muss, damit sie gegen Verletzungen ihrer Rechte vorgehen können. Die Privatsphäre ist hier besser gegen die weltweit agierende Lobby von multinationalen Rechteinhabern geschützt. Als Gegenleistung für die durch den straffreien Konsum (Download) und die straffreie Privatkopie entgangenen Profite, bezahlen die Schweizer Bürger jedes Jahr hunderte von Millionen Franken Pauschalabgaben an die fünf hiesigen Verwertungsgesellschaften, welche diese an die Rechteinhaber verteilen. In einem gewissen Sinn haben wir also in der Schweiz schon eine Kulturflatrate in Form von 12 Gemeinsamen Tarifen der fünf Schweizer Verwertungsgesellschaften (SUISA, Swissperform, ProLitteris, SSA und Suissimage) für Abgaben auf Leergut (DVDs, …), Geräten (Mobiltelefonen, …), Arbeitsplätzen (Fotokopien, Netzwerkbenutzung, …), Schulen und Blindenbibliotheken.

Das Argument, dass mit der Einführung einer Kulturflatrate der Abmahnwahnsinn abgeschafft werden kann, verfängt also in der Schweiz nicht richtig, weil hier der Konsum kultureller Inhalte ohnehin schon straffrei ist. Der Verein Musikschaffende Schweiz und die SP Schweiz möchten diesen Zustand allerdings ändern. Die mächtige Lobby der internationalen Wissenschaftsverlage, der drei weltweit grössten Musiklabels und der Studios in Hollywood lässt sich ihre Agitation für die Kriminalisierung des Konsums Einiges kosten.

Wenn man dem Publikum in der Schweiz eine Kulturflatrate schmackhaft machen will, muss man zeigen, dass sie besser eingerichtet ist als unsere bisherigen Pauschalabgaben an die Verwertungsgesellschaften. Wir müssen also über eine mögliche Ausgestaltung einer Kulturflatrate diskutieren, welche uns weiterhin Straffreiheit des Kulturkonsums (Download) garantiert. Dabei geht es um

  • ihre Administration,
  • ihre Höhe,
  • die Verteilung der Zahlungspflichten und
  • die Verteilung der Beiträge an die Rechteinhaber.

Administration einer Kulturflatrate

Die Administration der Verwertungsgesellschaften hat seit der Urheberrechtsrevision 1992 immer wieder zu Klagen Anlass gegeben. Die ProLitteris schaffte es jahrelang, mehr als 50 Prozent administrative Kosten zu generieren. Die Geschäftsführer der Verwertungsgesellschaften erzielen Gehälter von 200’000 bis 400’000 Franken pro Jahr, was auch schon einmal Anlass zu einer parlamentarischen Anfrage nach staatlicher Kontrolle ihrer Löhne gab, zum Beispiel durch ihre Aufsichtsbehörde, das IGE (Institut für Geistiges Eigentum). In den Jahren 2010-2012 erzielte Dr. Ernst Hefti von der ProLitteris sogar eine private Einnahme von fast 700’000 Franken, weil ihm der Vorstand dieser Genossenschaft zusätzlich zu seinem regulären Gehalt von 366’000 Franken eine auf drei Jahre verteilte ausserordentliche Pensionskassenzahlung in der Höhe von einer Million Franken bewilligte. Sonst müsse der arme Mann nach seiner Pensionierung von nur 28% seines früheren Gehalts (also rund 90’000 Franken pro Jahr) leben! Die Verwertungsgesellschaften haben sich in dieser Hinsicht immer der Kontrolle durch die Administration entzogen, indem sie ihre Doppelrolle als private Genossenschaften in den Vordergrund schoben, welche im Auftrag ihrer Mitglieder die kollektive Verwertung betreiben und daher nur diesen gegenüber rechenschaftspflichtig über ihre Administrationskosten seien. Ihre Mitglieder sind einerseits viele kleine Urheber, die praktisch nie an der Genossenschafterversammlung erscheinen, und andererseits einige wenige Verwerter (internationale Verlage, Labels, Studios), die mehr als 90% aller zu verteilenden Gelder kassieren und natürlich grosszügig mit der Verwaltung der Genossenschaft umgehen.

Wenn also eine flächendeckende Pauschalabgabe unter dem Titel Kulturflatrate eingeführt wird, müsste sie solche Missstände beim heutigen Umgang mit Pauschalabgaben beseitigen. Einerseits müssten die Verwertungsgesellschaften ihres öffentlichen Auftrags, Pauschalabgaben von der ganzen Bevölkerung einzuziehen, gänzlich enthoben werden. Als private, gewerkschaftliche Vereinigungen von Rechteinhabern zum Zwecke der kollektiven Verwertung können sie dann weiter führen, was ihre Mitglieder tolerieren. Aber sie hätten keinen Zugriff mehr auf allgemeine Abgaben und müssten ihre Angriffe gegen das Internet einstellen. Die 12 Gemeinsamen Tarife wären durch eine einzige Kulturflatrate zu ersetzen, deren Höhe angemessen festzusetzen ist und deren Bezahlung nicht unfairer Weise den Kleinunternehmen, Bildungseinrichtungen und den Blinden aufgebürdet wird. Die Festlegung der Höhe der Abgabe muss einer Form von öffentlicher Kontrolle unterliegen und nicht wie heute von einer Eidgenössischen Schiedskommission abschliessend bestimmt werden, deren Chefin dann im nächsten Jahr Geschäftsführerin einer Verwertungsgesellschaft wird.

Denkbar wäre etwa die Zusammenlegung der Kulturflatrate mit der Abgabe für Radio und Fernsehen, die ja neu mit den Steuern pro Haushalt eingezogen werden soll. Dadurch würden keine zusätzlichen Administrationskosten entstehen. Allerdings wäre dabei auf den Unfug zu verzichten, auch juristische Personen für abgabepflichtig zu erklären, deren Mitarbeiter ja schon alle ihre Abgabe einzeln bezahlt haben. Als Zahlstelle könnte dann zum Beispiel das IGE, das BAK oder das BAKOM fungieren, welche als öffentlich-rechtliche Einrichtungen einer sehr viel klareren politischen Kontrolle unterstehen als die Verwertungsgesellschaften heute.

Höhe der Abgabe

Die angemessene Höhe einer Kulturflatrate kann nicht gefühlsmässig bestimmt werden, indem man Jugendliche fragt, wieviel sie pro Monat zu geben bereit wären, wie das regelmässig in Diskussionen um eine Kulturflatrate geschieht. Solange das Urheberrecht und die Urheber selber darauf bestehen, für den Konsum bezahlt zu werden, statt wie sonst die arbeitende Bevölkerung für die Produktion – also für ihre Arbeit – , gibt es nur ein vernünftiges Mass, um die Höhe der Abgabe festzulegen: Die Höhe der durch freien Konsum und freie Privatkopie entgangenen Profite der Rechteinhaber. Das war interessanterweise sogar die gemeinsame Position aller Verwertungsgesellschaften an der IGE-Tagung 2011, als man darüber diskutierte, dass die Grösse des Speicherplatzes, die Anzahl Kopien, die Anzahl Streamings immer weniger als sinnvolles Mass für die Abgabenhöhe gelten kann. Denn ein einzelnes Smartphone hat bald schon eine Speicherkapazität für so viel Musik, wie man sie auch in tausend Jahren nicht anhören kann.

Man könnte die Höhe der entgangenen Profite auch noch gegenrechnen mit der Höhe der dank Straffreiheit des Konsums und Privatkopie gesteigerten Profite.

Verteilung der Zahlungspflichten

Heute sind die Zahlungspflichten sehr ungleich verteilt. Den grössten Teil bezahlt die arbeitende Bevölkerung pro Arbeitsplatz (Fotokopie, Leergut, Geräteabgabe, Netzwerkabgabe, …). Einen kleineren Teil bezahlen die Konsumenten (DVD-Rohlinge, Mobiltelefone, Weiterleitungsgebühren auf Kabelanschlüssen, obwohl beim Weiterleiten eigentlich kein neuer Konsumakt anfällt …). Ausserdem werden einige für Bildung und Wissenschaft wichtige Institutionen wie Schulen und Bibliotheken besonders stark belastet. Schliesslich sind dann einige seltsame Tarif-Einzelopfer zu verzeichnen, wie die jugendlichen Mobiltelefonkäufer und die Blinden.

Fairer wäre wohl ein einheitlicher Tarif pro Haushalt analog der Abgabe für Fernsehen und Radio. Dafür müssten die zusätzlichen Belastungen für Bildungseinrichtungen und der Behinderten völlig entfallen. Allenfalls könnte man einen Tarif pro transferiertem Bit ansetzen, was aber auch zu eher ungewollten Verzerrungen führt, die nichts mit Kultur zu tun haben.

Ein Problem einer allgemeinen „flachen“ Abgabe besteht darin, dass man damit alle dazu zwingt, jegliche Kultur zu unterstützen. So müssen Juden antisemitische Bücher, Menschen muslimischen Glaubens islamfeindliche Sendungen, Kleinunternehmer den Rocksong finanzieren, der ihre Vernichtung propagiert. Der Ruf nach „Ausgewogenheit“ der Kultur wird – wie beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen – nicht auf sich warten lassen. Am Ende wird die mit der Flatrate geförderte Kultur noch flacher.

Verteilung der Abgaben auf die Rechteinhaber

Schliesslich stellt sich das Problem der Verteilung. Heute gehen mehr als die Hälfte der Mitglieder der Verwertungsgesellschaften leer aus. Über 90 Prozent der Abgaben gehen an die ganz grossen, mehrheitlich im Ausland domizilierten Rechteinhaber für uralte Werke (Elvis Presley, Beatles, …), statt die heute neu entstehende Kultur zu fördern.

Die Verwertungsgesellschaften haben einen absolut undurchsichtigen Wust von tausenden von Formeln in ihren Verteilungsreglementen festgelegt, der sich auch einem formelerfahrenen Mathematiker nicht erschliesst. Diese Undurchschaubarkeit dürfte wohl Methode haben. Mit Hilfe solcher Reglemente kann man freche Einzelurheber zum Schweigen bringen. Die Buchhaltung stimmt ohnehin über mehrere Jahre nicht so genau. Nicht einmal die auf dem Web publizierten Summen in der Offenlegung der groben Buchhaltungszahlen durch die Verwertungsgesellschaften sind korrekt und weichen über Jahrzehnte beträchtlich ab von den in den Jahresberichten publizierten Zahlen. Nicht einmal bei Anhaltspunkten zu Unstimmigkeiten in der Buchhaltung kann sich die Aufsichtsbehörde gegen die private Funktion der Gesellschaften durchsetzen! Es wird also alles getan, um die intransparente Verteilung unter den paar grossen Brüdern zu ermöglichen. Am Ende wird auf Einschaltquoten, auf manipulierte Bestsellerlisten und auf die vom IFPI (Organisation der Plattenproduzenten) beeinflusste Hitparade referenziert. Als Basis dient also heute die fragwürdige Idee, dass die Verteilung der Pauschalabgaben proportional zur Auflagenhöhe, zur Popularität, sein müsse.
Die allerhöchste Anzahl Menschen erreicht natürlich Muzak, die unerwünschte Hintergrundmusik im Hauptbahnhof, in Aufzügen, in den Warenhäusern, im öffentlichen Raum beim Public Viewing, …

Diese Musik, die niemand stört – oder ausser mich niemanden zu stören scheint! –, ist also das Mass aller Dinge, wenn es darum geht, bei der Verteilung von Pauschalabgaben die Kassen klingeln zu lassen. Die mit der Flatrate finanzierte Kultur wird so immer flacher.

Wie man die Verflachung verhindern könnte

Wenn man nicht die Auflagenhöhe als Massstab für die Verteilung der Abgaben einer Kulturflatrate zugrundelegen will, wird es schwierig. Wer soll als Künstler gelten? Muss man in Zukunft ein staatlich zertifiziertes Mitglied der Kreativindustrie sein, um Ansprüche auf Beiträge aus der Kulturflatrate anmelden zu können? Oder kann sich einfach jeder Arbeitslose, jeder Rentner oder sonst jeder Unbeschäftigte, als beitragsberechtigter Künstler melden? Solche Horrorszenarien bewegen Organisationen von Urhebern wie den Verein Musikschaffende Schweiz dazu, sich laut und radikal gegen eine Kulturflatrate auszusprechen. Dafür nehmen sie lieber eine Kriminalisierung des Konsums und ihrer Fans in Kauf, damit sie mit Google eine Art Ablasshandel eingehen können, wobei sie für blosse „Nutzung“ bezahlt werden, auch wenn niemand ihre Musik anhört.

Es gäbe aber eine interessante Möglichkeit, eine Kulturflatrate für die allgemeine Bevölkerung akzeptabler zu machen: Jeder Beitragszahler wählt pro Jahr mit seiner Abgabe die Werke, die in den letzten zwei (fünf?) Jahren neu entstanden sind, die von seiner Abgabe bezahlt werden sollen. Damit würde die mehrfache Verflachung der Kultur durch eine Flachrate gestoppt: Die Kultur müsste nicht mehr ausgewogen sein, weil nun nicht mehr jeder alles unterstützen muss. Die Hintergrundmusik würde mit ihrer Flachheit nicht sämtliche anderen Werke verdrängen. Die Sonderbehandlung der Kultur im Gesetz würde dadurch gerechtfertigt, dass die Subvention tatsächlich dem Schaffen neuer kultureller Inhalte zugute kommt, und nicht den Töchtern von Loriot, der Witwe von Dürrenmatt, den Enkeln von Brecht oder den Urenkelinnen von Valentin.

Eine solche demokratisch legitimierbare Komponente in der Kulturförderung würde der Schweiz gut anstehen. Setzen wir uns also für eine Kulturflatrate mit Wahlmöglichkeit ein!

Warum Schweizern nicht egal sein kann, als Piraten auf der schwarzen Liste der USA zu landen

In letzter Zeit wird von einer sehr gut betuchten Lobby immer wieder unterstellt, dass Downloads in der Schweiz illegal seien, oder, dass allen Verfechtern des legalen Downloads das Urheberrecht egal sei (etwa NZZ 24.09.2012). Dabei wird regelmässig auf die etwas schmuddeligen, in der Schweiz domizilierten, Websites RapidShare.com und Uploaded.net verwiesen.

Damit werden verschiedene Unwahrheiten und unlautere Unterstellungen vermischt verbreitet. In der Schweiz ist der Konsum von Inhalten jeglicher Provenienz grundsätzlich straffrei und damit DOWNLOADs legal. Hingegen ist der UPLOAD geschützter Inhalte durch andere als die Rechtsinhaber durchaus illegal und damit strafbar. Wenn sich die genannten Websites oder ihre Benutzer diesen illegalen UPLOAD haben zu Schulden kommen lassen, muss man nicht das Urheberrecht ändern, um sie zu verfolgen. Man muss es nur durchsetzen. Wenn allerdings die Urheber selber für den Upload verantwortlich sind (s. Kommentar zur Kampagne des Vereins Musikschaffende Schweiz), kann man schwerlich die auch von mir nicht sonderlich geliebten One-Click-Sites oder Google dafür verantwortlich machen.

Die unlautere Unterstellung besteht darin, die Verfechter des straffreien Konsums – und dazu gehört der Verein Digitale Allmend – in die Ecke der Möchtegern-Kulturvernichter zu stellen, deren Hauptziel es ist, Kulturschaffende um ihr wohlverdientes Einkommen zu bringen. Wir können zwar die Position nicht unterstützen, dass jeder Hersteller eines nicht nachgefragten Produkts gleich vom Staat subwentioniert werden müsse. Gerade die Sorge um Kultur und Meinungsfreiheit beflügelt aber unseren Einsatz für freien Zugang und offene Inhalte. Es geht oft vergessen – und wurde auch von den Parlametariern in den USA nicht zur Kenntnis genommen – , dass die Schweizer pro Jahr 300’000’000 Franken für den legalen Download bezahlen, damit ihre Pausenplätze vor den fallenstellenden Abmahnanwälten unseres nördlichen Nachbarlands und den Gruppenklagen aus den USA verschont bleiben. (Wie absolut perfekt und wirkungsvoll ist doch die Schutzgelderpressung auf der Basis elterlicher Sorge auch wenn sie unberechtigt ist!) Von diesen Pauschalabgaben wandern mehr als 80% in die USA, deren Kultur von der Schweiz auf diese Weise grosszügig subventioniert wird, während die Bürger in den USA keine Pauschalgebühren auf Leergut, Geräten, Fotokopien oder Smartphones entrichten und schon gar kein Geld für in den USA erfolgreiche Schweizer Gruppen oder Filme in die Schweiz fliesst. (Genaueres findet man in den Jahresberichten der Verwertungsgesellschaften.)

Die heftig für eine Kriminalisierung des Downloads agitierenden Gruppen hätten an deren Konsequenzen vielleicht keine Freude.

Abschaffung der Verwertungsgesellschaften und der Musikerpfründe!

Eine Kriminalisierung des Downloads müsste begleitet sein von einer Abschaffung sämtlicher Pauschalabgaben an die Verwertungsgesellschaften (also 300 Mio Franken weniger für die Musik), von einer völligen Privatisierung der kollektiven Verwertung und der damit einhergehenden Streichung aller auf die Verwertungsgesellschaften bezogenen Artikel im Urheberrecht, welches diesen Organisationen und ihren Mitgliedern – unter Berufung auf die Straffreiheit des Konsums – fette staatlich garantierte Subventionen und Monopole beschert hat. Auch die Urheberrechtsgebühren des Fernsehens und des Rundfunks müssten dann eben nach – heute leicht erhebbarer – Einschaltquote pro Stück statt pauschal abgegolten werden.

Obligatorische Eingebettete Metadaten mit ausgewiesenen Rechtsansprüchen

Ausserdem müsste der das Recht respektierende Bürger befähigt werden, nicht unfreiwillig zum Opfer der Abmahnfallensteller zu werden. Ein Obligatorium für eingebettete Metadaten mit Hinweis auf Rechteinhaber und Verwerter müsste eingeführt werden, damit die Lehrlinge, Schüler und Suchmaschinen eine Chance haben, sich rechtskonform zu verhalten und unerwünschtes geistiges Eigentum von sich fernhalten können. Eine Änderung oder Falschzuweisung in solchen Metadaten müsste wie andere Urkundenfälschungen geahndet werden.

Strafbarkeit der privaten Nutzung gemeinfreier und offener Inhalte

Ausserdem müsste auch die fälschliche Beanspruchung von Rechten an gemeinfreien oder der Öffentlichkeit mit offenen Lizenzen frei zur Verfügung gestellten Inhalten genauso hart bestraft werden, wie der private Download. Also etwa

  • die Behauptung von Jörg Schneider, er sei Rechteinhaber der Kasperlitheatermelodie TriTraTrullala,
  • diejenige des Diogenes-Verlags, er habe sämtliche Rechte an den gemeinfreien Werken Kafkas,
  • die unstatthafte Privatisierung und das Publikationsverbot der Zentralbibliothek Zürich für Musiknoten aus dem 16. Jahrhundert,
  • die Privatisierung der gemeinfreien Melodien Johann Sebastian Bachs durch Rechteinhaber von James Bond Filmen, deren Komponisten sich grosszügig bei ihm bedient haben,

und viele andere mehr. Der Schaden müsste analog berechnet werden wie heute die Rechteinhaber argumentieren. Megabyte der gesamten Wikipedia-Artikel verglichen mit Megabyte der jährlichen weltweiten Buchproduktion oder Kasperlitheater-Zuschauer mal Eintrittspreis …

 

Geistiges Eigentum, immaterielle Güter oder Information – nur ein Streit um Worte?

Das Vorhaben von Peter Heinrich in der NZZ vom 18.09.2012, den Streit um den Begriff “geistiges Eigentum” zu beenden, ist lobenswert.

Sein Vorschlag, in Zukunft nur noch wertneutral von “Information” zu reden, weckt aber Bedenken vor einer unkontrollierten Ausdehnung der Ansprüche der Rechteinhaber, die heute schon eine hohe Abgabe von vielen Menschen mit der totalen Gewalt des Staates – also mittels Gewaltdrohung mit Knarre und Knast – abpressen, die niemals ein Interesse daran gezeigt haben, ihre Werke zur Kenntnis zu nehmen. Es ist nebenbei interessant, wieviel Staatsgewalt von angeblichen Gewaltgegnern gegen Minderheiten ausgeübt wird, nur um ihr Portemonnaie ein bisschen besser zu polstern.

So wünscht etwa der Verein der Musikschaffenden Schweiz, dass Google, Swisscom und Sunrise für die Werbeklicks neben Links zu einem Musikstück eines ihrer Mitglieder einen hohen Preis bezahlen, das vor ein paar Jahren vom Urheber selber auf YouTube geladen wurde und offenbar beim Publikum auf wenig Interesse gestossen ist. (http://www.andreasvongunten.com/blog/2012/9/13/kommentar-zur-neuen-musikschaffendench-kampagne-gegen-schwei.html)

Wie sehr würde sich diese Lobby freuen, wenn in Zukunft nicht nur einzelne Werke, sondern gleich alle Information kostenpflichtig gemacht würde. Heinrich stellt richtig fest, dass Information/Entropie neben Energie/Materie zu den sehr fundamentalen Grössen der Physik gehört. Gerade dies macht aber den Begriff Information ungeeignet für die Debatte um das Urheberrecht. Denn dieses soll sich gerade explizit nicht auf Information über Tatsachen sondern auf die Gestaltung beziehen. Wenn wir diesen Standpunkt aufgeben, verurteilen wir Journalismus und Wissenschaft dazu, sich vom Verein der Musikschaffenden Schweiz und der anderen weltweit agierenden Lobbies der grossen Labels, Studios und Verlage einen Maulkorb anbinden zu lassen oder Schutzgelder zu bezahlen. Ausserdem ist jedes Messinstrument ein Informationsproduzent, sodass die Lobbyisten der Unterhaltungsindustrie nicht nur Anspruch auf Abgaben für Messungen von Laut (Mikrophon) und Licht (Kamera), sondern vom Bürger auch für jedes Thermometer und jede Uhr eine Geräteabgabe verlangen würden.

So gut gemeint der Versuch ist, eine nicht mit politischen Agenden aufgeladene Terminologie zu verwenden, so kommt man in der aktuellen Diskussion nicht um solche herum. Der Begriff “geistiges Eigentum” wurde geprägt, damit man diese Subvention den Liberalen schmackhaft machen kann und in den Genuss des grossen Schirms des in der Verfassung geschützten Privateigentums kommt. Nur bei der Buchhaltung, der Vermögens- und der Erbschaftssteuer, enthüllt sich dieses Eigentum plötzlich als Nullwert, während es beim Lobbyieren und beim Kriminalisieren von Lehrlingen und Schülern immer einen Millionenwert pro Song darstellt. Der Begriff “Immaterialgut” reduziert die kulturellen Güter auf ihren Warenwert und ihre Regelung auf eine Regulierung des Handels mit diesen Gütern.
Die vielen Autoren der Wikipedia haben neu die öffentlich frei verfügbaren Inhalte neben das geistige Privateigentum gestellt, mit der Folge, dass der Verein Musikschaffende Schweiz heute jeden grosszügigen Autor solcher freier Werke abzockt, wenn dessen Konsumenten leere Disketten oder Geräte kaufen. Ausserdem bedienen sich diese Privateigentümer des Geistigen immer wieder gerne der Werke, die der Öffentlichkeit gehören oder von ihr mit Steuergeldern ermöglicht wurden, ohne dieser Öffentlichkeit die Finanzierung solcher Werke abzugelten. Streiten wir also lieber weiter um Worte und noch lieber um die dahinterstehenden Werte!

 

Anti-ACTA Kundgebung in Zürich

Am 11. Februar hat Hartwig Thomas hat eine kurze Ansprache bei der Anti-Acta Demo am zürcher Helvetia Platz gehalten.

http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=jhnLyU2zgNg

Ich bin […] da, weil ich der Meinung bin, dass die Abschaffung der Meinungsfreiheit oder die schwere Gefährdung der Grundrechte etwas ist, was auch Nichtpolitiker interessieren sollte.

Wenn ich mit den Politikern spreche, habe ich den Eindruck dass diejenigen die im nächsten Jahr darüber entscheiden, ob die Schweiz ACTA ratifizieren soll zu einem grossen Teil keine Ahnung haben und sie müssen von der Strasse, von jedem einzelnen von uns genau und detailiert informiert werden warum dieser Staatsvertrag ein schlimmer Eingriff in die Freiheit der Menschen wäre.

ACTA steht für Anti Counterfeit Trade Agreement also Anti Fälschungs-Handelsabkommen und es geht, wie schon Herr Glättli gesagt hat, nicht wirklich in erster Linie um pirateske Themen sondern es geht darum, dass sogenannte Geistige Eigentum bis zum Letzen zu verteidigen; dass Leute die Krokodilannäher auf Hemden kleben wirklich mehrere Jahre ins Gefängnis kommen; dass Unfallverhütungtechniken im Autobau keinesfalls von den Chinesen kopiert werden dürfen damit sie weniger Unfälle haben; dass Videodateien von Hollywoodfilmen nicht herunter und hochgeladen werden dürfen; dass patentierte Medikamente auf keinen Fall so billig hergestellt werden dürfen wie sie hergestellt werden könnten – auch wenn dabei Millionen Leute an AIDS sterben. Wer das geistige Eigentum an solchen Sachen hat, der hat das Recht den Anderen zu verbieten das zu kopieren oder eben so günstig herzustellen wie man es herstellen könnte.

Dieses Verbotsmonopol bewirkt, dass man die Preise beliebig in die Höhe treiben kann, auch auf Kosten davon, dass Menschen massenweise sterben, weil niemand Kopien von patentierten Unfallverhütungssoftware machen darf, oder von einem AIDS-Medikament, oder von schädlingsresistentem Saatgut. Die Rechteinhaber vorallem in den USA oder der EU hatten mit ihrer Einschüchterungstaktik bisher schon viel Erfolg. Wir sind alle so blöd, dass wir bereits mit vorauseilendem Gehorsam uns sogar die Sachen nicht mehr trauen die wir noch dürfen

Ich habe gerade gestern wieder in 20 Minuten gelesen, man müsse die illegalen Downloads verbieten. Erstens ist es ja ein wenig idiotisch etwas Illegales zu verbieten.. (Gelächter) Zweitens sind in der Schweiz Downloads immer noch legal, selbst wenn derjenige der das hochgeladen hat das illegalerweise hochgeladen hat. Das Lesen eines geklauten Buchs ist nicht strafbar, das Klauen schon.

Ich denke, wir sollten uns nicht länger von der Pharmaindustrie und Hollywood einschüchtern lassen, sondern unsere Rechte wieder maximal beanspruchen und die zynischen Rechteinhaber im schlimmsten Fall boykottieren. Es gibt sehr schöne Hemden ohne Krododilaufnäher. (Gelächter). Man hört immer wieder das uns ACTA vor gefälschten Medikamenten schützen soll, weil sonst irgendwelche unverantwortlichen alten Herren gefälschtes Viagra kaufen und nachher eingehen – (Gelächter) – jeweils übers Internet. Das ist natürlich Unsinn, wir haben schon sehr harte Gesetze gegen Brunnenvergifter und Leute die gefälschte Nahrungsmittel herstellen und gegen Leute die andere vorsätzlich schädigen. Für das müssen wir auf kein Abkommen eingehen das es der Industrie von den Rechteinhabern erlaubt, ohne Umweg über die Polizei, über den Richter direkt bei den Providern Informationen über uns einzuholen und über ihre Konkurrenten natürlich, damit sie noch besser Kapitalismus betreiben können. (Applaus)

Es gibt einen Punkt ganz am Schluss vom ACTA-Vetrag. Ich habe mir die Mühe gemacht, das durchzulesen und habe dazu ein kleines oranges Flugblatt geschrieben (http://www.enterag.ch/hartwig/acta-fragen.pdf) das schrecklich seriös und trocken ist und jeden einzelnen Punkt aufgezählt, von dem ich der Meinung bin, dass er problematisch ist. Ganz am Schluss von ACTA ist eine heisse Sache drin: dort geht es nämlich um den berühmten Aquis-Communautaire. Das heisst ACTA besagt, es wird eine Kommission eingesetzt, eine internationale Kommission die dieses Vertragswerk laufend weiterentwickelt und, dass Leute, die diesem Vertragswerk heute beitreten automatisch laufend alle weiteren Änderungen mitübernehmen, die diese Kommission dann beschliesst.

Das heisst, selbst wenn es heute sozusagen wenig an der Schweizer Situation ändern würde, hätte man dann die fremden Richter und die fremden Gesetzgeber anstelle unserer Richter und unserer Parlamentarierer gesetzt. Und da wundert es mich, dass ich hier auf diesem Platz so wenig Vertreter von der Partei [die SVP, Red.] sehe die sonst gegen fremde Richter ist. (Breites Gelächter und Applaus.)

Beim Aushandeln der endgültigen ACTA Vertragsversion war das Institut für Geistiges Eigentum auf Schweizer Seite dabei. Der Schweizer Botschafter hat an seiner offiziellen Unterzeichnungszeremonie in Japan schon unterschrieben aber das war nur für das Fernsehen. Das ist noch nicht wirklich schon gültig und jetzt kommt es darauf an, dass der Bundesrat die Unterzeichung, die Ratifizierung des Vertrags dem Parlament vorlegt und bis.. ich glaube Mai 2013 muss das Parlament entschieden haben, ob die Schweiz diesem internationalen Vertragswerk beitritt oder nicht. Ich hoffe, dass ihr alle, jeder einzelne von euch ganz viele Mails an seine Lieblingsparlamentarier schreibt.

Transkription: http://www.denkmaschinen.ch leicht korrigiert.

Foto: CC-BY Roger Hunziker

Copiepresse vs. Google

Nicht nur in der Schweiz wünschen Zeitungen, am finanziellen Erfolg von Google zu partizipieren. Sie stellen sich auf den Standpunkt, dass ihre hart erarbeiteten Inhalte Google zum finanziellen Erfolg verhelfen und darum mit einem Leistungsschutzrecht pauschal abgegolten werden müssen. Man kann das natürlich auch anders sehen: Googles hart erarbeitete Technologie ermöglicht den Zeitungsinhalten erst international wahrgenommen zu werden. Insofern müsste Google ein Leistungsschutzrecht beanspruchen, das mittels Pauschalabgaben der Zeitungen zu finanzieren ist …

In Belgien hat dieser Widerspruch zu einer legalen Pirouette geführt. Copiepresse, ein Verband zur Wahrnehmung von Urheberrechten der Tagespresse, hat durchgesetzt, dass Google die Artikel des Verlags nicht mehr publizieren darf. Da diese nun von niemandem mehr gefunden werden, klagt er nun gegen den Boykott durch Google. Man wollte ja Google nicht am Publizieren der Links hindern, sondern nur dafür kassieren, dass sie publiziert werden.

Belgische Richter haben im Mai 2011 das Urteil bestätigt, welches die Publikation von Links untersagt.

Damit bestätigen Juristen einmal mehr, dass sie mehrheitlich für Logik nicht viel übrig haben, wenn es um Erhöhung von Pauschalabgaben geht. Einerseits verpflichtet das Gesetz (in der Schweiz, in Deutschland, in Belgien, in der EU und in weltweiten internationalen Übereinkünften), dass zitierte Quellen zwingend angegeben werden müssen. Andererseits untersagt es das Zitieren ohne Abgeltung eines Leistungsschutzes. Das führt dazu, dass sich niemand mehr trauen wird, fremde proprietäre Quellen zu zitieren, denn die finanziellen Folgen sind unkontrollierbar. Nur das Zitieren von unter einer Creative Commons publizierte Quellen ist einigermassen sicher vor den Leistungsschutzansprüchen der Grossverlage.