Zur historischen Entwicklung von Urheberrecht und Geistigem Eigentum

Die Lesegruppe hat aus dem Report des European Communication Council ECC das Kapitel von Hannes Siegrist über die historische Entwicklung des Geistigen Eigentums gelesen. (1)

Siegrist betont gleich zu Beginn, dass es sich bei Autorschaft und Geistigem Eigentum um soziale, kulturelle und gesetzliche Konstrukte handle und setzt sich damit deutlich ab von jenen Betrachtungsweisen und Disziplinen, die den Autoren, das Werk oder das Geistige Eigentum ahistorisch als zeitlose, quasi natürliche Phänomene betrachten.

In der vormodernen Ständegesellschaft, so breitet es der Text dann aus, lag die Verfügung über Symbole und Formen von Wissen in der Hand weltlicher und kirchlicher Obrigkeiten; dieses Recht begründete sich aus Religion, Tradition und Gewohnheitsrecht. Herrscher, Päpste und freie Städte verliehen Privilegien: die Universitäten kontrollierten das medizinische und rechtliche Wissen, Zünfte das technische Wissen von Handwerkern und Kunstgewerblern, Handelsgesellschaften das Wirtschaftswissen. Dannzumal lag das Druck- oder Publikationsrecht bei Druckern und Verlegern – und nicht etwa bei den Autoren, die gerade nur gelegentlich belohnt wurden. Erst mit dem so genannten «Statute of Anne», dem eigentlichen Beginn eines Urhebergesetzes 1710 in England und ähnlichen Regelungen in Frankreich um dieselbe Zeit, wurde der Verfasser als gesetzlicher Urheber eines Werkes anerkannt. Damit wurde nicht nur der Autor über Drucker und Verleger gestellt, indem er per Vertrag die Rechte zur Reproduktion und Verbreitung seines Werkes abtreten konnte, es wurde auch die geistige Arbeit gegenüber Handels- und Handwerksarbeit höher gestellt; das Verhältnis zwischen materiellen und immateriellen Anteilen eines Werks war neu definiert.

Der Autor in einem modernen Verständnis als kreatives Individuum taucht dann aber erst in der Folge der Aufklärung auf: Die Ablösung von Traditionen und althergebrachten Mustern und ein Bewusstsein für das freie Denken bringen ihn in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts als Erfinder und Schöpfer von Werken eigentlich erst hervor.

Schriftsteller und Autoren haben sich in der Folge auch über die aufführenden Künstler und angewanden Künste gesetzt. Erst im Laufe des 20. Jahrhunderts wurde diese Hierarchie aufgrund von Veränderungen in der Arbeitsteilung in Theater, Film und Fernsehproduktion in Frage gestellt: Produzenten, Regisseure, Schauspieler und Musiker machten den kreativen Anteil ihrer Arbeit und den Anspruch an dessen Originalität mehr und mehr geltend. Das 20. Jahrhundert schliesslich hat eine völlige Umgestaltung dessen gesehen, was als Kreativität gilt: von der seltenen schöpferischen Begabung des Genies zu einem allgemeinen menschlichen Attribut. Parallel dazu kommen in der modernen, kommerzialisierten Massen- und Populärkultur immer mehr Werke verschiedenster Gattungen unter den Schutz eines Copyrights, die oft sogar nicht einmal den Anspruch an Originalität vertreten, beispielsweise elektronisch unterstützte Mixtures von Bild und Ton.

Der Historiker der Lesegruppe merkt zum geschichtlichen Abriss des Textes kritisch an, dass er da und dort gern genauere Beispiele und Daten gehabt hätte, die Siegrist hier zumeist schuldig bleibt. Der Text ist tatsächlich sehr summarisch, zeichnet aber anschaulich und lesbar die groben Entwicklungslinien nach.

Kein Blick in die Zukunft: Die historische Forschung zeige – Siegrist weist mehrfach darauf hin – dass das Prinzip des Geistigen Eigentums eigentlich nie nur der Abgeltung der Autoren gedient habe, sondern dass der Zweck immer gleichfalls war, das dynamische Zusammenspiel von Kultur, Gesellschaft und Wirtschaft sicher zu stellen und einen Ausgleich zwischen den Rechten der Autoren, der Verleger und dem öffentlichen Interesse zu schaffen. (So sprach schon der «statute of Anne», der eigentliche Meilenstein in der Urheberrechtsgeschichte, einem Schriftsteller zwar ein urheberrechtliches Eigentum an seinem Werk zu, das für die nächsten 14 Jahre gesichert sein sollte. Dazu war eine Erneuerung seiner Rechte um weitere 14 Jahre möglich, solange der Autor noch lebte.) Gleichzeitig wurde aber damit auch schon der «Public Domain» geschaffen, was bedeutet, dass der Eigentümer des Urheberrechts nach Ablauf dieser Zeit auf den Gebrauch seines Werkes keinen Einfluss mehr hatte.
Befürchtungen, dass Konzepte des Geistigen Eigentums aus der Kontrolle geraten und das Ende jeder Autorschaft bevorstehe, können also durchaus in dieser Tradition der Kontroversen, aber auch Bemühungen um den Ausgleich zwischen individuellem und öffentlichem Gut gelesen werden. Das Veränderungspotential der Digitalisierung und des Internets ist aber auch in diesem Bereich gewaltig und äusserst dynamisch. Nicht nur wird die vorherige Zuschreibung von Wissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Werken zu traditionellen Berufsständen und Inhabern mehr und mehr in Frage gestellt und ist der Schutz entlang nationaler Grenzen kaum mehr zu gewährleisten. Wenn der Wert einer Autorschaft heute weniger durch deren intellektuelle Errungenschaft bestimmt wird als durch die Nachfrage, verändern sich auch soziale, ökonomische und kulturelle Rangordnungen. Wie unter diesen veränderten Bedingungen produktive Begleichungen zu gewährleisten wären, lässt der Text verständlicherweise offen.

1 Hannes Siegrist: The History and Currrent Problems of Intellectual Propery (1600-2000); in: Axel Zerdick … et al.: E-Merging Media. Communication and the Media Economy of the Future. European Communication Council Report. Berlin, 2005. (D: E-Merging Media. Kommunikation und Medienwirtschaft der Zukunft. Berlin, 2004).

European Communication Council ECC: Gruppe vorwiegend europäischer Kommunikationswissenschaftler. Der erste ökonomisch ausgerichtete Bericht «Die Internet-Ökonomie – Strategien für die digitale Wirtschaft» erschien 1999 als European Communication Council Report und befasste sich mit dem Einfluss neuer Technologien auf die Medien- und Kommunikationsindustrie. Dieser dritte Bericht des ECC untersucht aus unterschiedlichen Blickwinkeln den Wandel der Medienlandschaft.

Hannes Siegrist: Prof. Dr. habil., Universität Leipzig, Bereich vergleichende Kultur- und Gesellschaftsgeschichte

Google zum ersten: Geschäftsmodell und Serviceangebote

Lars Reppesgaard, freier Journalist in Hamburg, hat 2008 ein Buch über Google als Firma und Prinzip vorgelegt, das einen guten Einblick in Entwicklung und Geschäftsstrategien des Suchmaschinenriesen gibt (1). 

Abwechslungsreich und seriös geschrieben handelt es sich dabei weniger um eine sehr tief gehende Analyse des Google-Imperiums, sondern eher um eine Geschichte, die die Firma über ihre Kultur, Praktiken, Gründer und Mitarbeiter  plastisch macht; heiklere gesellschaftlich-politische Themen wie Datenschutz und Privatsphäre werden gestreift, der Fokus liegt aber auf den geschäftlichen und wirtschaftlichen Strategien. Bereits das Inhaltsverzeichnis gibt einen Überblick über all die Google-Applikationen, die es bis anhin gibt. Der Autor verhehlt auch keineswegs, dass Google bei den meisten keineswegs die Erfinder waren, aber die besseren Zweiten, denen es gelingt, die Fehler der Konkurrenz konsequent zu vermeiden.

Das zweite Kapitel «Der Kampf um die ersten Plätze» beleuchtet denn auch schon den Kern von Googles Geschäftserfolg, die online-Werbung. Die Lesegruppe der digitalen Allmend nahm es zum Ausgangspunkt, Googles Geschäftsmodell und Serviceangebot im Werbemarkt zu diskutieren.

Interessant daran ist ja folgendes: Während Google in der Öffentlichkeit vor allem als Suchmaschine wahrgenommen wird, ist es weit eher eine Werbe- und Verkaufsmaschine, wenn man zum Massstab nimmt, womit der Geschäftserfolg erwirtschaftet wird. Einnahmen werden also erst mit einem Sekundärmechanismus generiert, eben mit der «Geldmaschine Onlinewerbung» (so der Untertitel des Kapitels), während die eigentliche Suche für den Nutzer kostenfrei bleibt.

Zwei Mechanismen werden im Folgenden genauer beschrieben: Adwords und Adsense. Adwords ist das Programm, das bei einer Suchabfrage mit Google auf der Ergebnisseite rechts die kleinen vierzeiligen Textannoncen platziert.  Jedes Mal, wenn die suchende Person anstatt eines Links aus der Ergebnisleiste ein bezahltes Inserat anklickt, wird eine Provision an Google fällig. Adsense stimmt Anzeigen auf die Inhalte von Webseiten ab, die nicht direkt zu Google gehören. Jeder der eine Internetseite, einen Blog, ein Ratgeberportal oder was immer betreibt, kann sich für das Programm anmelden; auch professionelle Online-Angebot wie dasjenige der Süddeutschen Zeitung nutzen das Angebot, um Geld zu verdienen und Aufwände zu refinanzieren.

Weil das automatisierte System, mit dem passende Anzeigen neben die eigentlichen Suchergebnisse gestellt werden, ebenfalls sehr treffsicher ist, sind die Klickraten – und entsprechend die Gewinne – hoch. Dass die Anzeigen so gut passen, macht ein ausgeklügeltes Positionierungssystem möglich, das verschiedene Parameter anhand mathematischer Verfahren gewichtet: neben Stichworten, die vom Anzeigekunden bestimmt werden, sind es Klickraten (wenig angeklickt scheint für die Surfer weniger interessant und rutscht nach unten), geografische Zuordnungen und andere statistische Auswertungsverfahren, etwa die Ladezeit.

Die Diskussion in unserer Gruppe hat erbracht, dass wir selber die Kleinanzeigen rechts meistens eher ignorieren. Hin und wieder einmal können sie jedoch durchaus hilfreich sein auf der Suche nach einem speziellen Produkt (als Beispiel dient eine Luftwärmepumpe), etwa um einen lokalen Anbieter  kennen zu lernen. Weiter haben wir uns gefragt, ob es heikle Anwendungen gibt, Beispiel: Angebote für Kleinkredite. Ausprobieren zeigt, dass mit «Kleinkredit/Zürich/diskret» sofort 8 Werbeinserate erscheinen (auf Wunsch mehr). Ein weiterer Klick präzisiert, was ein Betrag von CHF 20000 über 12 Monate pro Monat kostet (zuviel!) und auf der gleichen Seite erscheinen auch gleich die unbestreitbar tröstlichen Vorteile: Erlass der Restschuld im Todesfall. Ob allerdings Kleinkredite übers Netz problematischer sind, nur weil man sie auch über Googles Werbeanzeigen findet, ist aber doch zu bezweifeln.

Der Vorteil für die werbenden Unternehmen – und für die Marketingindustrie, der sich da ein neues Betätigungsfeld aufgetan hat: Suchmaschinenmarketing und -optimierung, Web-Analytics, E-Business Beratung, Virales Marketing, Online-Werbung und ähnliches – ist ein ausgebautes System von Softwarelösungen: von der Evaluation über die Auswertungen von Benutzerverhalten bis zur laufenden Optimierung, etwa der Keywörter, die Besucher auf die eigene Website ziehen sollen. Ob der einzelne Werbefranken hier tatsächlich mehr bewirkt als an der Plakatwand, dürfte trotzdem schwer zu erheben sein; offensichtlich verbreitet ist aber die Hoffnung, dass man mehr Kontrolle hat.

Der Text wagt auch einen Blick in die Zukunft: Die Bedeutung des Onlinewerbemarktes ist immer noch gering, im Verhältnis zur Summe die insgesamt für Marketing ausgegeben wird, handelt es sich laut Reppesgaard um ca 5%. Google hat im Suchbusiness, kombiniert mit Anzeigen, eine hohe Marktsättigung erreicht; offenbar liegt sie in Europa bei deutlich über 90%: die Wachstumsmöglichkeiten sind da also begrenzt. Die Strategie von Google wird es daher sein, die technologischen Errungenschaften aus dem Online-Geschäft auf andere Werbebereiche (Radio, Fernsehen, Print und neue Formen wie interaktive Displayflächen) zu übertragen: mit Hilfe von Software Anzeigen so zu platzieren, dass sie einen engen Bezug haben zum Kontext, in dem sie stehen (Beispiel sind etwa die von MINI USA versendeten Chips mit Radiofrequenz-Identifikation (RFID), auf die interaktive Displayflächen mit einer persönlichen Nachricht für die Fahrer reagieren), Kampagnen in Echtzeit zu analysieren und sie gegebenenfalls zu verändern und Preise je nach Nachfrage automatisch über Auktionen festzulegen. 

 

1) Lars Reppesgaard: Das Google-Imperium. Hamburg, 2008

Gemeinfreiheit des Geistes

In seinem Buch «The Public Domain» (1) beschreibt James Boyle, Rechtsprofessor an der Duke University School of Law und Mitbegründer von Creative Commons, die aktuellen Kämpfe um die Rechte des geistigen Eigentums und bezeichnet sie gar als «Gebietskriege des Informationszeitalters».

Unsere Musik, unsere Wissenschaft, unser wirtschaftliches Gedeihen, ja unsere gesamte Kultur würden abhängen von der heiklen Balance zwischen jenem Ideengut, das jemand besitzt und kontrolliert und jenem, das öffentlich und frei ist. Natürlich sei der Schutz des Geistigen Eigentums wichtig, so dann des Autors Position, der aktuelle Umgang mit den Rechten aber unausgewogen: eine allzu wegschliessende Geste von «Symbolen, Themen, Fakten, Genen und Ideen». Boyle prognostiziert für die aktuelle Praxis fatale Auswirkungen auf die freie Rede und Kreativität, zukünftige Bildung und wissenschaftliche Innovation.

Dabei geht es ihm erst einmal um Aufklärung: Er argumentiert, dass – genauso wie jeder informierte Bürger, jede Bürgerin wenigstens ein Minimum über Umwelt, Wirtschaft oder Bürgerrechte wissen müsse – auch alle etwas vom Prinzip des Geistigen Eigentums verstehen sollten, eben weil es dabei um Regelungen zum grundlegenden Gut der Informationsgesellschaft gehe. Als eines der Hauptprobleme identifiziert er das «weit verbreitete Nichtverstehen» der Bedeutung des «Public Domain» –  also der Gesamtheit des geistigen Kollektivgutes und Materials, das jedermann ohne weitere Genehmigung und ohne Kosten frei benutzen und weitergeben darf. Der «Public Domain» müsse im öffentlichen Verständnis als Wissensallmende und Gemeingut der modernen Informationsgesellschaft in einem gewissen Sinn erst erfunden und etabliert werden, bevor wir ihn schützen könnten – in dieser Hinsicht durchaus analog zur «Umwelt» und den Bemühungen um ihren Schutz.

Das erste Kapitel «Why Intellectual Property», das die Gruppe gelesen hat, verfolgt erst einmal die (guten) Gründe für Schutzregelungen. Während viele materielle Güter nach Bedarf erzeugt werden und sich ihr Preis an der Schnittstelle von Angebot und Nachfrage ergibt, stellen sich Probleme des Marktanreizes bei jenen, die aufwendig in der Entwicklung, aber billig zu kopieren sind. Wer würde beispielsweise die langwierige Entwicklung von wirksamen Medikamenten auf sich nehmen? Solche Güter schütze der Staat via den «Markt-schaffenden Kniff» des intellektuellen Eigentums (2): vor allem durch Patente und Copyrights. Gerade der Vorteil von Patenten sei doppelt: Durch die Möglichkeit, Entwicklungsaufwände wieder einzuspielen sicheren sie einerseits einer Erfindung überhaupt erst eine gewisse Lebenschance, durch ihre Registrierung verhindern sie andererseits, dass innovatives Wissen geheim gehalten und damit der Gesellschaft entzogen sei.

Etwas anders noch stellt sich die Problematik schützen/frei lassen bei kulturellen Gütern, wie etwa Musik, Bilder, Texte, Filme, literarische Werke, die – heute oft gar nicht mehr an materielle Publikationsformen gebunden – durch den Gebrauch nicht etwa weniger werden, sondern durch ihre Verwendung und Vervielfältigung via Internet und mittels der verblüffenden Informationsverarbeitungskapazität von Millionen von Menschen die Chance auf neue Gebrauchszusammenhänge erst eröffnen. Im ungünstigen Fall aber, etwa als «orphan works» (verwaiste Werke, deren Urheber oder Rechtsinhaber nicht oder nur sehr schwer zu ermitteln ist) stellen sie ein Problem dar, da eine Nutzung, die die Zustimmung des Urhebers oder der Rechteinhaber voraussetzt, nicht möglich ist. Das ist eines der Beispiele, die der Autor anhand der Library of Congress etwas breiter ausführt; hier schreibt er dann explizit an gegen unsinnige Copyright Bestimmungen und das, was er als Exzesse des Rechtes auf Geistiges Eigentum ansieht.

Die Gruppe stimmt ihm grundsätzlich zu und die Diskussion beschäftigt sich in der Folge einige Male mit dem, was wir eben nicht so genau wissen: Einerseits geht es um ein Auseinanderhalten von sehr verschiedenen Rechten im Zusammenhang mit dem Geistigen Eigentum: copyright, patent und trademark. (Was z.B. ist genau patentierbar bei der Software-Entwicklung, das Verfahren? Ist das Urheberrecht ebenfalls so ein «Markt-schaffender Kniff»?) Dann sind historische Entwicklungen, und Bedeutungen einzelner Aspekte in den USA zuverlässig verschieden von europäischen (in den USA wird offenbar seit längerem heftig über orphan works debattiert; Relevanz bei uns, z.B. wissenschaftlich?). Und nicht zuletzt kann die Bedeutung englischer Begriffe wie «Copyright» und «Public Domain» nicht ohne weiteres auf die deutschen Begriffe «Urheberrecht» und «Gemeinfreiheit» übertragen werden (Neben «Public Domain» als «Gemeinfreiheit» bezeichnet der Begriff gelegentlich offenbar auch Werke, «deren Urheber mindestens einer nichtkommerziellen Verbreitung zugestimmt hat» (3). So ist das rechtliche Prinzip des Copylefts – zumindest gemäss dem, was die Schreiberin nachgelesen hat  – «nicht vereinbar mit dem der Gemeinfreiheit, da Copyleft auf das Urheberrecht aufbaut, anstatt wie die Gemeinfreiheit darauf zu verzichten.… «Public Domain» ist «keine Lizenzvariante, sondern der generelle Verzicht auf eine Lizenzforderung». (3))

Der Text liest sich anschaulich und wir wollen es gern noch etwas genauer wissen. Beschluss: ein zweites Kapitel wird gelesen.

 

1 The Public Domain. Enclosing the Commons of the Mind. James Boyle, New Haven Ct, 2008. Der Autor macht das Buch auch verfügbar unter einer Creative Commons Lizenz: http://thepublicdomain.org

2 («market-making» device) der Autor zitiert hier seinen Kollegen Jerry Reichmann

3 http://de.wikipedia.org/wiki/Gemeinfreiheit (02/05/09)

Partizipationsformen im Web 2.0

Das Buch von Roberto Simanowski (1) untersucht gegenwärtige Phänomene der digitalen Medien –Weblogs, Werbung, Identitätstourismus, interaktive Kunst – vor dem Hintergrund einer postmodernen Spass- und Erlebnisgesellschaft. Eine Fülle von Beispielen macht es zum Fundus für verschiedene Auseinandersetzungen; kulturelle, künstlerische und utopische Aspekte werden ebenso aufgenommen wie historische Kontexte. Der Autor behält dabei eine ausgewogene, kritische wie positive Offenheit gegenüber den einzelnen Phänomenen.

Das dritte Kapitel «Kultur der Mitgestaltung», das die Gruppe besprochen hat, handelt zu Beginn ausführlich von Blogs: solche, die das Private öffentlich machen, Watchblogs als praktizierte Medienkritik oder Orte der politischen Auseinandersetzung, literarische Tummelfelder. Der Autor konfrontiert dabei die hoffnungsvolle Vorstellung von den basisdemokratischen Chancen des Web 2.0 mit der kulturpessimistischen Position – harsch vertreten aktuell etwa durch Andrew Keen (2) –, es handle sich dabei doch wohl eher um ein «Überhandnehmen des Banalen» und eine «Herrschaft des Mittelmässigen. Dass sich für beides ungezählte Belege auf dem Netz finden lassen, ist in der Gruppe unbestritten; auch wird darauf verwiesen, dass Blogs über unterschiedlichste Formen, Qualitäten und Dynamiken verfügen, in den verschiedenen Dimensionen sehr ausdifferenziert und daher kaum auf einen Nenner zu bringen sind. Die Diskussion beschäftigt sich dann mit der Frage, ob Blogs so etwas wie ein digitaler Ersatz für den früheren Dorfplatz oder -laden sind; da klingt das «Global Village» von Marshall McLuhan aus den 60-er Jahren nochmals mit an. Während die Dorfgemeinschaft sich aber lokal formiert und über Bewegungsradien natürliche Zwängen unterworfen ist, gruppieren sich Blogs eher um thematische Schwerpunkte und scheinen dadurch erst einmal grössere Beweglichkeiten und Wahlfreiheiten zuzulassen.

Simanowski führt weiter aus, dass bestimmte Phänomene des Web 2.0, etwa politische Blogs oder Wikipedia, angemessener als eine Kultur von Autodidakten als eine von Amateuren zu beschreiben seien – gerade das Wort Amateur transportiert ja auch eine Abwertung im Vergleich zur professionellen Expertenwelt. Die Gruppe nickt und ergänzt, dass es allerdings bis vor nicht allzu langer Zeit auch keine «klassische» Journalistenausbildung gab, sondern sich grosse Anteile der Professionalität dieses Berufsstandes durch «learning on the job» entwickelt haben. Andere Formen dagegen wie z.B. You tube, so Simanowski weiter, werden dagegen als ausschliesslicher Ort von Amateuren gehandelt. Es gehe um einen Wettbewerb, wer am professionellsten wirke, mit dem Grundverständnis und einer Art internem Ehrenkodex, dass kein Profi an diesem Wettstreit teilnehme.

Die abschliessende, beschreibende Darstellung des Bereichs der Computerspiele (Adventure Games, Strategie- oder Rollenspiele) mit verschiedensten Formen der Interaktion (vom Mitspielen bis zum Hack) verhindert zwar eine kontroverse Diskussion in der Gruppe, liest sich aber flüssig und anschaulich, auch wenn man selber nicht spielt. Der Autor verfolgt dabei die Frage nach der Erweiterung des Spielraums für das Publikums, die verschiedenen Formen der Partizipation, durchaus auch mit Anschluss an die alte Vorstellung von der Verwandlung des Zuschauers in den Stückeschreiber. Die Motivation, den Fortgang der Geschichte selber zu prägen, ist dann gleichfalls ein Aspekt der Fan-Fiction zu Spielen, Filmserien oder Büchern, ebenso wie gegebenenfalls sogar eine Korrektur, wenn etwa bei Star Track das weibliche Publikum mit der stereotypischen Darstellung der schwachen und inkompetenten weiblichen Charaktere nicht zufrieden war.

Simanowski bleibt bis zum Schluss neutral: Ob es sich dabei nämlich eher um subversive Äusserungen oder eine Bestätigung der Kulturindustrie handelt, bleibe nicht nur im einzelnen abzuwägen. Angesichts der friedlichen Koexistenz und Kooperation vertritt er die These, es herrsche eine Art kultureller Sozialfrieden zwischen Avantgarde und Kulturindustrie. Diese Betrachtungsweise scheint nun ja der postmodernen Erlebnisgesellschaft recht gut zu entsprechen.

1) Digitale Medien in der Erlebnisgesellschaft. Kultur – Kunst – Utopien. Roberto Simanowski, Reinbek 2008. – Besprochen in der Lesegruppe Wissensgesellschaft der Digitalen Allmend.

2) The cult of the amateur: how today’s internet is killing our culture and assaulting our economy. Andrew Keen, London 2007