Medien ohne Aura

Die Lesegruppe der Digitalen Allmend ist am 12. Dezember im 20. Jahrhundert angelangt. Zur Diskussion standen marxistische Ansätze der Medientheorie aus der Zwischenkriegszeit. Mersch (1) weist darauf hin, dass im späten 19. Jh das Aufkommen der Massenpresse und die Diskussion um die Massengesellschaft völlig neue Voraussetzungen für die Debatte um die Medien geschaffen haben.

Der Literat und Filmkritiker Béla Balász rückt allerdings nicht die gedruckte Massenpresse, sondern die Fotografie und den aufkommenden Film ins Zentrum des Interesses. Mit Bild versus Wort und Text stellt er zwei Mediensysteme einander gegenüber. Er kritisiert vehement einen Primat der Sprache und verweist auf die Mächtigkeit des bildhaften Ausdrückens und Zeigens. Balász vermittelt die Vorstellung einer universellen Bildsprache.

Walter Benjamin positioniert seine Medienbetrachtungen im Kontext des marxistischen Unterbau/Überbau Schemas. Das heisst nun aber nicht, dass Elemente wie Macht, Besitz, Entfremdung oder Ideologiekritik als Instrumentarium dienen würden. Vielmehr rück Benjamin die Technik ins Zentrum und bindet auch seinen Aura-Begriff daran. Aura wird einmal mit Singularität und Echtheit assoziiert – Aura kann darum den technisch reproduzierten Objekten nicht mehr anhaften. Aura wird aber an verschiedenen Stellen von Benjamins Werk mit weiteren Bedeutungen angereichert, etwa als „Erscheinung einer Ferne, so nah sie sein mag“. In diesem Sinn gefasst sind wären aureatische Momente eigentlich auch für Betrachter multimedialer Produkte vorstellbar.

Mersch bezeichnet Benjamins Aura-Begriff wohlwollend als „schillernd“. In der Leserunde schwappte eine interessante Diskussion hoch, ob da überhaupt eine Theorie oder auch nur ein analytisches Konzept vorliegt. Die eine Seite betont die Fruchtbarkeit von Benjamins Ansätzen, die andere sieht kein Gerüst eines konsistenten begrifflichen Systems, was als Theorie bezeichnet werden könnte.

Neben der Aura ist der Begriff der Montage zentral bei Benjamin. Die Montage, die Zersplitterung als Produktionsbedingung, bildet das mediale Kernelement des Films. Benjamin konstatiert beim Film auch einen neuen Illusionsmechanismus. Der produzierende Mechanismus bleibt verhüllt, es gibt keinen Bühnenrand, der die Grenze zu einer andern Sphäre markiert.

Benjamin folgert nun nicht, dass diese neuen Illusionsmechanismen in eine dauerhafte Verblendung der Massen durch die kapitalistische Kulturindustrie führen würden. Vielmehr diagnostiziert er, dass die Abkehr vom aureatischen Kunstwerk das Wahrnehmungsverhalten umwälzt und politisches Emanzipationspotential freisetzt.

Das Thema der Verblendung wurde durch Adorno und Horkheimer im Konzept der Kulturindustrie ausgearbeitet. Die technischen Medien sind das Distributionsnetz und Verkaufsinfrastruktur von kulturellen Waren, welche an Stelle einer zerfallenden politischen Öffentlichkeit tritt.

Die entsprechende Manipulationsthese hatte in den 70er Jahren grossen Anhang. Enzensberger kritisierte die Absolutheit der These. Es ist nicht möglich, aus einen Zentrum heraus widerspruchsfreie Ideologie zu produzieren. Kommunikation bringt immer Widerspruchsmöglichkeiten mit sich. Das aktuelle Mediensystem liesse sich auch ganz anders nutzen. Baudrillard hat Enzensberger kritisiert. Er gehe von einem naiven Kommunikationsmodell aus. In der Tat nahm dann Enzensberger Abstand von seinem Konzept eines formbaren Medienbaukastens.

1) Dieter Mersch. Medientheorien zur Einführung. Junius. Hamburg 2006.

Erinnerung: 1.1.2012 – Public Domain Jam Neujahrsbrunch

Eltern spielen Kasperlitheater nach Lisa Wenger, Max Neil und Arthur Holitscher. Kinder machen Collagen mit Bildern von Emil Stumpp, Emile Bernard, Carl von Salis, Robert Delaunay, El Lissitzky und Alexej Jawlensky. Filme von Victor Schertzinger, Edwin S. Porter, werden auf Videopong.net und auf dem VJ Akkordeon von Effi Tanner gejammt, während aus dem Joggeli von Lisa Wenger Stop-Motion Filme produziert werden hören wir eine Kurzlesung aus dem Audiohörspiel Ulysses. Die Playlist mit Songs von Jelly Roll Morton, Seven Foot Dilly, Rabindranath Thakur, Oskar Joost und Fritz Grünbaum begleitet uns akustisch ins neue Jahr. Während wir bei einem gemütlichen Kaffee sitzen und ins neue Jahr brunchen, retten wir gleich das kulturelle Erbe für unsere Kinder!

Sonntag, 1.Januar 2012, 12-18 Uhr
Kafi für dich
Stauffacherstrasse 141
8004 Zürich

Weitere Infos und gemeinfreie Inhalte im PDJam Blog

Die Veranstaltung wird organisiert und unterstützt von Dock18,
Digitale Allmend, Wikimedia CH und dem Kafi für dich.

Medientheorien von Platon zu Nietzsche

Wie von der Lesegruppe der Digitalen Allmend bereits berichtet, befasst sich das erste Kapitel des Übersichtsbandes von Dieter Mersch (1) mit  dem Medienbegriff. Im zweiten nun verfolgt der Autor – und wir mit ihm – frühe Medientheorien, resp. Theorien, die er als solche zu betrachten vorschlägt, da sie Phänomene behandelten, die denen ähnelten, welche heute unter einem Medienbegriff gefasst werden.

Was die frühesten medientheoretischen Reflexionen zunächst provoziert habe, ist gemäss Mersch das «Rätsel der Schrift»: Annahme war, dass die Schrift den Menschen irgendwie übersteigt und daher das Werk eines höheren Instanz sein müsse. Kenntnis oder Unkenntnis der Schrift sei zudem immer auch mit sozialen und kulturellen Absetzungsbewegungen verbunden gewesen.

Ausführlich referiert Mersch in der Folge dann Platon, der die Schrift zur Darstellung philosophischer Gedanken für ungeeignet hält, da deren Medium vielmehr das Gespräch sei, wo Rede auf Gegenrede trifft und dadurch Argumente erst schärfe. Die teilweise durchaus widersprüchlichen Äusserungen Platons zur Schrift liest Mersch nicht als eine Kritik an der Schrift generell, sondern als eine Kritik an einem Schriftgebrauch der sich verselbständigt. Wenn wir seine Überlegungen auf die aktuellen Techniken des Internets zu übertragen versuchen, ist neben der Betonung der Chance der interaktiven Lebendigkeit auch der Hinweis bemerkenswert, den Mersch im Bezug auf die Schrift formuliert, dass es nämlich keine Technik gebe, die nicht zugleich aufzeichne und dokumentiere, wie sie im selben Mass als Dokument oder Archiv die Erinnerung transformiere.

Unter dem Titel «Metaphorisierungen des Medialen im 18. und 19. Jahrhundert» behandelt Mersch in der Folge Lessing, Herder und Hegel: So bei G. E. Lessing die Erörterung des Verhältnisses von Poesie gegenüber der bildenden Kunst anhand der Betrachtung über die spätantike Figurengruppe «Laokoon», bei J. G. Herder die Fokussierung auf die Sprache und ihre Bestimmung als Medium jeder Erkenntnis, also die intime Abhängigkeit des Denkens vom Medium der Sprache und bei G. W. F. Hegel die strenge Hierarchie zwischen Kunst, Religion und Philosophie. Dabei steht die Kunst durch ihr Angewiesensein auf Materialität in Hegels Taxonometrie auf der untersten Stufe, während Vernunft und Geist zuoberst rangieren.

Warum wir gerade diese Klassiker der Geistesgeschichte als Eckpunkte der Mediengeschichtsschreibung entdecken sollten, nur weil sie über Sprache und Erkenntnis reflektieren, leuchtet nicht in jedem Fall gleichermassen ein. Und was dagegen fast völlig fehlt, ist die Beschäftigung mit dem Sehen – Mersch zufolge hätte sie als Vorläufer von Medientheorien keine grosse Rolle gespielt. Dabei hat die Auseinandersetzung mit der Frage, was überhaupt ein Medium sei, durchaus auch anhand des Sehens Niederschläge gefunden: so etwa die Auseinandersetzung mit Spiegelung in der Sage des von seinem eigenen Bild gefesselten Narziss, Fragen der Repräsentation, Illusion und Imagination in der Malerei, wiedergegeben etwa in der Anekdote des Maler-Wettstreites zwischen Parrhasios und Zeuxis oder im negativen Sinn auch im Bilderverbot des Alten Testamentes.

Der längere Abschnitt zu F. Nietzsche ist dagegen vielfältig und anregend zu lesen: Nicht nur verbindet Mersch hier den von Nietzsche formulierten Gegensatz der Prinzipien des Apollinischen und Dionysischen mit medialen Überlegungen, sondern bezieht auch die sich mit Beginn des 19. Jahrhunderts rasant entwickelnde Technik (etwa die Illusionstechnik Fotografie) mit ein und zeigt ein reiches Bezugsfeld geistesgeschichtlicher Entwicklungslinien auf (zu Derrida, den Zeichentheoretikern, Cassirer und anderen), die zunächst mehrheitlich vom Medium der Sprache ausgehend, nach und nach Elemente entwickeln zur allmählichen Herausbildung von allgemeineren Medientheorien.

1) Dieter Mersch. Medientheorien zur Einführung. Junius. Hamburg 2006.

 

Pressemitteilung – Public Domain Jam – Neuesjahresbrunch & Night

Wir weisen sie auf folgende Veranstaltung hin:

Public Domain Neujahrsbrunch 2012
Generationenübergreifender Neujahrsbrunch für Kinder und Erwachsene
Sonntag, 1.01.2012, 12-20 Uhr
Kafi für Dich, Stauffacherstr. 141, 8004 Zürich

James Joyces “Ulysses”, Lisa Wengers “Joggeli” und Walther Ruttmanns “Sinfonie der Grossstadt” haben miteinander gemein, dass sie mit dem Jahreswechsel frei vervielfältigt und verändert werden dürfen. Sie gehören zu den unzähligen Werken, deren Eigentumsrecht am 1.1.2012 der Öffentlichkeit zufällt. Dabei geht es um ein fundamentales Element des Urheberrechts: nämlich die zeitliche Begrenzung der Urheberrechte als Ausgleich zwischen den Interessen der Autoren und der Öffentlichkeit. Alle Werke von Autoren, die seit 70 Jahren verstorben sind, werden weltweit gemeinfrei. Das bedeutet für jeden Einzelnen: Wir bekommen über Nacht – ob wir es wollen oder nicht – Tausende von Kunstwerken, Büchern, Bildern, Gemälden, Karten, Fotografien, Erfindungen, Filmen, Gedanken, Zitaten etc. geschenkt. Es ist vergleichbar mit einem Lottogewinn!

Der Public Domain Jam unterstützt alle Menschen beim Umgang mit diesen Werken. Wir zeigen Tools und Gestaltungstechniken, mit denen wir diese Kreationen verarbeiten und uns wieder aneignen können. Zum Teil kennen wir die Werke aus den Medien und Museen der Welt. Andere wiederum wurden aus Archiven ausgegraben. Gemeinsam ist allen, dass wir sie nun besitzen und irgendwie damit umgehen sollen. Der Public Domain Jam hilft!

Eltern spielen Figurentheater nach Max Neal, Lisa Wenger, Arthur Holitscher und James Joyce. Kinder machen Collagen mit Bildern von Emil Stumpp, Emile Bernard, Carl von Salis, Robert Delaunay, El Lissitzky und Alexej Jawlensky. Filme von Victor Schertzinger und Edwin S. Porter werden auf Videopong.net und auf dem VJ-Akkordeon von Effi Tanner gejammt. Während aus dem “Joggeli” von Lisa Wenger Stop-Motion-Filme produziert werden, hören wir eine Kurzlesung aus dem Audiohörspiel “Ulysses”. Die Playlist mit Songs von Jelly Roll Morton, Seven Foot Dilly, Rabindranath Thakur, Oskar Joost und Fritz Grünbaum begleitet uns akustisch ins neue Jahr, zusammen mit der visuellen Public-Domain-Meta-
Inspirations-Engine von Marc Lee. Während wir also bei einem gemütlichen Kaffee sitzen und ins neue Jahr brunchen, retten wir gleich das kulturelle Erbe für unsere Kinder!

Mit Tools und künstlerischen Gestaltungstechniken von Bruno Schlatter, Olivier Marti, Effi Tanner, Videopong.net, Marc Lee, Luc Gut, Mario Purkathofer, Daniel Boos, Robert Alexander, Alessandro Rimoldi, Michaelmusic u.a.

Die Veranstaltung wird organisiert und unterstützt von Dock18, Digitale Allmend, Wikimedia CH und dem Kafi für dich.
Aufrufe zum Mitmachen und Teilnehmen!
Die Werke unserer Vorahnen leben durch unsere direkte Benutzung und Weiterbearbeitung. Natürlich können wir sie auch einfach nur lesen.

MASHUPS GESUCHT aus Filmen von Walter Ruttman, Corrado D’Errico, u.a. Videopong.net
FIGURENTHEATERDARSTELLER GESUCHT für Theaterstücke nach Max Neal, James Joyce, Lisa Wenger, u.a. Deadline: 30.Dezember 2011
99 TOTE AUTORINNEN UND WERKE Der Public Domain Jam sucht ständig nach neuen Autorinnen und deren Werke, die vor 70 Jahren gestorben sind. Hier können auch die eigenen Grosseltern gemeldet werden. Wir übernehmen alle Arten von Nachlässen (geistiges Eigentum) Die neuesten Werke 2012 unter PD werden hier gesammelt und an ihrem Todestag publiziert http://pdjam.wordpress.com
24 KÜNSTLER GESUCHT die mithelfen, die Ulysses zu vertonen. Deadline 13.Januar 2012
18 PECHA KUCHA GESUCHT aus den alten Werken neue Präsentationsformen erstellen. Deadline: 30.Dezember 2011

Alle aktuellen Aufrufe zum mitmachen.
Kontakt: dock18@rotefabrik.ch

Gemeinfreie Werke und weitere Infos
Alle Infos in diesem Blog.
Public Domain Days in Europa.

Alle kommenden Public Domain-Termine im Überblick

  • 30. Dezember 2011: Public Domain NIGHT mit 18 Pecha Kucha Präsentationen, Poetry Slams, Kasperlitheateraufführungen, Mashups, Lesungen und anderen Formaten für Erwachsene von 18-70. Ab 20 Uhr im Dock18 Raum für Medienkulturen der Welt, Seestrasse 395, 8038 Zürich
  • 1. Januar 2012: Public Domain NEUJAHRSBRUNCH mit Kreidemalen, Collage basteln, Kasperlitheater und Livelesung für Kinder und Erwachsene. Ab 12 Uhr im Kafi für dich, Stauffacherstr. 141, 8004 Zürich
  • 16. Juni 2012 Public Domain BLOOMSDAY

Partner
Dock18: Raum für Medienkulturen der Welt
Digitale Allmend:Verein für öffentlichen Zugang zu digitalen Gütern
Wikimedia CH: Schweizer Förderverein der Wikimedia Foundation
Public Domain Project: Nutzbarmachung von gemeinfreier Musik und Film
Kafi für dich: Cafe.Bar.Kultur

Für Fragen und weitere Informationen
Webseite und Blog: http://pdjam.wordpress.com
Daniel Boos, boos@allmend.ch, +41 78 767 22 38
Mario Purkathofer, dock18@rotefabrik.ch, +41 78 659 32 63

Was ist der Public Domain?
Unter Public Domain werden frei verfügbare Werke verstanden, wie zum Beispiele Literatur, Musik oder Software. Werke im Public Domain unterliegen nicht oder nicht mehr dem Urheberrecht. Das Urheberrecht für Werke ist zeitlich beschränkt, weshalb alle Werke längerfristig in den Public Domain fallen. Die zeitliche Beschränkung führt dazu, dass die Werke frei genutzt, d.h. vervielfältigt und verändert werden dürfen. Es ist ein Kompromiss zwischen den Interessen der Oeffentlichkeit und des Urhebers. In den meisten Ländern ist dies 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers der Fall. Zum Teil gibt es noch kürzere Uebergangsfristen, weshalb in gewissen Staaten Werke schon früher im Public Domain sein können.

Cory Doctorow – The Politics of Copyright and the New Cultural Economy (Video + Podcast)

Der Science Fiction Autor und politische Aktivist Cory Doctorow war am 6. Dezember im Walcheturm und sprach über die Politik des Urheberrechts und seine Erfahrungen mit der freien Kultur.

Cory Doctorow ist einer der profiliertesten Kenner beider Materien, er arbeitete unter anderem als Europäischer Repräsentant der Electronic Frontier Foundation (EFF) und hat über 7 Romane publiziert, zuletzt “Makers” und “For the Win”. Die neueste Veröffentlichung ist die Aufsatzsammlung “Context: Selected Essays on Productivity, Creativity,Parenting, and Politics in the 21st Century”.
Auf Deutsch erschienen ist u.a. “Little Brother”.

Cory Doctorow ist auch ein brillanter Redner. Es war also nicht nur für einen interessanten sondern auch unterhaltsamen Abend gesorgt.

Die Veranstaltung wurde von der Digitalen Allmend, in Zusammenarbeit mit der Vertiefung Mediale Künste (ZHdK), Dock18, Walcheturm und Wikimedia Schweiz organisiert. KulturTV, Roger Levy, hat die Veranstaltung mit seiner Kamera begleitet.

Podcast: Der Vortrag steht auch als Podcast (nur Audio, ohne Bild) zur Verfügung bei KulturTV

Public Domain Jam – Vorbereitung und Vorankündigung weiterer Veranstaltungen

Am Wochenende haben wir uns an die Arbeit gemacht und den Public Domain Jam vorbereitet. Wir haben begonnen die Kasper-Theater von Lisa Wenger für das Kasperli-Theater abzutippen. Bald gemeinfreie Filme für das Jammen mit einem Akkordeon gesucht. Ulysees übersetzt, Pecha Kucha vorbereitet, Stop Motion Filme diskutiert und auch einen Flyer erstellt. Der Flyer findet sich im Anhang.

Weiter geht es nun mit Calls zur Mitarbeit, einem Apéro im Dock18 am 30.12 und dem Public Domain Jam am 1.1.2012 im Kaffi für dich!


Download:: flyer_2012‘;

Public Domain Jam: Vorbereitungen 2.-4.12.11 / Apéro 30.12.11 / Brunch 1.1.12

Mit dem Jahreswechsel fallen tausende von Werken und somit Teile unseres kulturellen Erbes der Allgemeinheit zu und können künftig frei
vervielfältig und verändert werden. Neben James Joyce trifft es auch einige Schweizerinnen, wie bspw. Lisa Wenger (Joggeli gaht go Bierli schüttle) oder Albin Zollinger (Roman Pfannenstil).

Die Digitale Allmend, Dock18 und andere feiern das frei werden von Werken jeweils mit einen Neujahrsbrunch. Damit wir etwas zu feiern
haben, beginnen wir dieses Jahr mit einem Vorbereitungsworkshop. Ziel ist es Werke zu digitalisieren und neue künstlerische Überarbeitungen
zu schaffen. Einerseits wollen wir das kulturelle Erbe bewahren, andererseits aus die Rohstoffe kreativ nutzen.

Wie jedes Jahr haben wir Tools/Gestaltungstechniken und natürlich jede Menge Inhalte, die es neu zu verwursten gilt. Neu versuchen wir
richtige Produktionen umzusetzen:

24stündiges AUDIOBOOK nach Ulysses von James Joyce mit 24 Musikern, Künstlern. Während des Workshops von 2.-4.Dezember übersetzen und
lesen wir die 24 Stunden der Ulysses und übergeben die einzelnen Teile verschiedenen Musikern zur Vertonung.

2.-4.12.2011 Public Domain Jam 1/4 Werke, Tools/Gestaltungstechniken werden vorgestellt LIVE auch auf http://ulysses.dock18.ch/pd-jam/ und
kollaborativer Workshop, Grafiklabor
30.12.2011 Public Domain Jam 2/4 Pecha Kucha und Apero, Dock18
1.1.2012 Public Domain Jam 3/4 Wir feiern den diesjährigen Public Domain Neujahrsbrunch am 1.1.2012 im Kafi für Dich, Zürich
13.1.2012 Public Domain Jam 4/4 Publikation des Audiohörbuchs ULYSSES in der Edition für Medienkulturen der Welt am 71.Todestag von James
Joyce.

6.12.2011 – Ein Abend mit Cory Doctorow – The Politics of Copyright and the New Cultural Economy

Der Kanadische Science Fiction Autor und politische Aktivist Cory Doctorow wird am 6. Dezember im Walcheturm über die Politik des Urheberrechts und seine
Erfahrungen mit der freien Kultur sprechen.

Cory Doctorow ist einer der profiliertesten Kenner beider Materien, er arbeitete unter anderem als Europäischer Repräsentant der Electronic Frontier Foundation (EFF) und hat über 7 Romane publiziert, zuletzt “Makers” und “For the Win”. Die neueste Veröffentlichung ist die Aufsatzsammlung “Context: Selected Essays on Productivity, Creativity,Parenting, and Politics in the 21st Century”. Auf Dt.
erschienen ist u.a. “Little Brother”.

Cory Doctorow ist auch ein brillanter Redner. Es ist also nicht nur für einen interessanten sondern auch unterhaltsamen Abend gesorgt.

Peter Hogenkamp, Leiter der NZZ Digital, wird als Respondent die Diskussion eröffnen. Gefolgt von Annette Schindler, Expertin für Medienkunst, Gegenwartskunst, Design, Kunst und Recht.

Die Veranstaltung wird von der Digitalen Allmend, in Zusammenarbeit mit der Vertiefung Mediale Künste (ZHdK), Dock18, Walcheturm und Wikimedia Schweiz organisiert. KulturTV, Roger Levywird die Veranstaltung mit seiner Kamera begleiten.

Ein Abend mit Cory Doctorow.
The Politics of Copyright and the New Cultural Economy
6.12.2011, Kunstraum Walcheturm, 20:00

Die Veranstaltungssprache ist Englisch.

Der Eintritt ist frei. Keine Voranmeldung. First come, first served.


Download PDF-Flyer

Schillernder Medienbegriff

Am 19. September hat die Lesegruppe der Digitalen Allmend die neue Saison eröffnet. Wir beschäftigen uns mit Medientheorien und besprechen das entsprechende Buch von Dieter Mersch (1).

Mersch betont die Vielgliedrigkeit und schwere Fassbarkeit des Medienbegriffs. Die Vielgliedrigkeit rührt daher, dass ganz verschiedene Stränge in den Begriff eingegangen sind. Als die wichtigsten identifiziert Mersch die Wahrnehmungstheorie seit der Antike, die Sprachtheorie des 18. Jahrhunderts und die Kommunikationstechnologien seit dem 19. Jahrhundert. Die Betrachtung von Kommunikationsmedien setzt also relativ spät ein: mit der Sprachtheorie. Die Reflexion der Massenmedien beginnt mit deren Durchbruch in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts. Erst jetzt wird der Medienbegriff im Alltagsgebrauch darauf gerichtet. Noch um 1900 dachten die meisten Menschen beim Medium an eine spiritistische Sitzung.

Mersch betont die Negativität des Medienbegriffs. Weil es sich um eine Instanz der Vermittlung, des Dazwischen handelt, „kann es nicht positiv modelliert werden“ (S. 17). Hier wird in der Diskussion Kritik an der Absolutheit des Postulats laut: Wenn das gesellschaftliche Umfeld und die Akteure charakterisiert werden können, kann auch das Medium entsprechend gefasst werden. Anhand etwa des Begriffs der Mobilität überlegen wir, dass auch andere Konzepte lösgelöst von Zeit und Umständen nicht hinreichend beschrieben werden können.

In der Antike prägt Aristoteles den Medienbegriff als physikalisches Kozept. Beim Sehen braucht es ein Drittes, das dem Auge das Sehen eines Gegenstandes erlaubt. Dieses Notwendige ist aber nicht fassbar, es ist transparent und konturlos, eine Art eigenschaftsloser Zwischenraum. Das Medium besänftigt so auch die Angst vor dem Nichts, den horror vacui. Noch lange werden sich die Menschen im allgemeinen und die Wissenschafter im speziellen nicht vorstellen können, das sich im Nichts etwas fortbewegen kann. Als im 18. Jahrhundert Magnetismus und Schwerkraft intensiv diskutiert werden, lebt die Vorstellung des zwischenräumlichen Mediums erneut auf.

Bereits im 17. Jahrhundert erlebt die Medienthematik einen Aufschwung. Das Interesse an Optik und Akustik bringt die Frage nach Transportmedien für Licht und Schall aufs Tapet.

Die Romantik bringt eine radikale Verschiebung. Das Konzept des Mediums wird in die Kunstbetrachtung eingebracht. Medien sind in einem Kontext der Produktion Elemente der Ermöglichung. Medien ermöglichen die Hervorbringung von Abbildern. Weil diese Abbilder produziert sind und nicht einfach eine Kopie des Abgebildeten darstellen, bergen Medien das Potential der Entfremdung und Täuschung. Damit setzt eine negative Bewertung des Medialen ein die dem Begriff bis heute anhängt.

Sie scheint auch in der aktuellen Web 2.0 Diskussion auf, wenn den (verfälschten) institutionalisierten Massenmedien eine (ursprüngliche, unmittelbare) Medienszene von Citizen JournalistInnen und Bloggern gegenübergestellt wird.

Die Entwicklung der Nachrichtenübertragung, die im 19. Jahrhundert mit dem Telegraphen einsetzt, bewirkt eine neuerliche Verschiebung der Wahrnehmung des Medialen. Es erscheint ein neuer Bedeutungsstrang. Das Ökosystem der Zeichen wird mathematisiert und technisiert. Das Medium wird kybernetisch – zum Kanal für den reibungslosen Fluss der Signale.

* * *

Nach den ersten paar Dutzend Seiten hinterlässt das Buch einen ausgezeichneten Eindruck. Knapp und doch verständlich werden Entwicklungslinien und die Vielfalt der Einflüsse ins Licht gerückt.

1) Dieter Mersch. Medientheorien zur Einführung. Junius. Hamburg 2006.

Copiepresse vs. Google

Nicht nur in der Schweiz wünschen Zeitungen, am finanziellen Erfolg von Google zu partizipieren. Sie stellen sich auf den Standpunkt, dass ihre hart erarbeiteten Inhalte Google zum finanziellen Erfolg verhelfen und darum mit einem Leistungsschutzrecht pauschal abgegolten werden müssen. Man kann das natürlich auch anders sehen: Googles hart erarbeitete Technologie ermöglicht den Zeitungsinhalten erst international wahrgenommen zu werden. Insofern müsste Google ein Leistungsschutzrecht beanspruchen, das mittels Pauschalabgaben der Zeitungen zu finanzieren ist …

In Belgien hat dieser Widerspruch zu einer legalen Pirouette geführt. Copiepresse, ein Verband zur Wahrnehmung von Urheberrechten der Tagespresse, hat durchgesetzt, dass Google die Artikel des Verlags nicht mehr publizieren darf. Da diese nun von niemandem mehr gefunden werden, klagt er nun gegen den Boykott durch Google. Man wollte ja Google nicht am Publizieren der Links hindern, sondern nur dafür kassieren, dass sie publiziert werden.

Belgische Richter haben im Mai 2011 das Urteil bestätigt, welches die Publikation von Links untersagt.

Damit bestätigen Juristen einmal mehr, dass sie mehrheitlich für Logik nicht viel übrig haben, wenn es um Erhöhung von Pauschalabgaben geht. Einerseits verpflichtet das Gesetz (in der Schweiz, in Deutschland, in Belgien, in der EU und in weltweiten internationalen Übereinkünften), dass zitierte Quellen zwingend angegeben werden müssen. Andererseits untersagt es das Zitieren ohne Abgeltung eines Leistungsschutzes. Das führt dazu, dass sich niemand mehr trauen wird, fremde proprietäre Quellen zu zitieren, denn die finanziellen Folgen sind unkontrollierbar. Nur das Zitieren von unter einer Creative Commons publizierte Quellen ist einigermassen sicher vor den Leistungsschutzansprüchen der Grossverlage.