(Update- Antwort versprochen) Noch keine Antwort auf Fragen: Musikschaffende verweisen auf bisherige Interviews

Update: Es wurde uns nun zugesichert, dass wir eine Antwort erhalten werden. Diese werden wir sobald wir sie erhalten veröffentlichen.

Update 2 (19.7.2012): Da Ferienzeit ist dauert es noch ein Weile bis die Antwort kommt.

Wir haben die Musikschaffenden gebeten einige Fragen zu ihrem gemeinsamen Statement zu beantworten. Nach einer Nachfrage haben wir nun folgende Antwort von den Musikschaffenden erhalten. Da einige unserer Fragen im Interview nicht
genügend beantwortet wurden, haben wir die Musikschaffenden gebeten
uns weiterhin eine ausführliche Antwort zu geben.

Update 3 (22.1.2013): Posting anonymisiert
Wir wurden am Januar 2013 gebeten, das Posting zu anonymisieren und den Namen der antwortenden Person zu entfernen, denn diese sei “nur für die Administration zuständig”. Wir haben dem Wunsch entsprochen und auch den Originaltext der Antwort entfernt.  Die damalige Aussage war, dass wir die Verspätung aufgrund der intensiven Pressearbeit verstehen sollten. Zudem wurden wir auf ein Interview im TagesAnzeiger vom 1. Juni 2012 verwiesen und auf auf die Webseite des Vereins. Unsere Fragen wurden bisher noch nicht beantwortet. Wir sind jedoch mit Vertretern der Musikschaffenden im Gespräch und bemühen uns weiterhin, Antworten auf unsere Fragen zu finden.

Kultur als Code

Die Lesegruppe der Digitalen Allmend setzt ihren Bummel durch die Medientheorien des 20. Jahrhunderts fort und beschäftigt sich mit Vilém Flusser (1920-1991). Dieser hinterlässt ein vielgestaltiges Werk, das eher untergründig wirksam wurde.

Flusser positioniert sich in einem kulturellen Megatrend nach dem 2. Weltkrieg. Diese Strömung rückt technische und formale Aspekte von Kommunikation und Kultur ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Auf dieses Feld gehören Kybernetik, Semiotik und Strukturalismus.

Zu den methodischen Fundamenten gehört die Übertragung technischer Kommunikationskonzepte auf das gesellschaftliche Leben. Eine zentrale Bedeutung nimmt dabei der Code ein. Im Code überlappen sich die Welt des Sinns und die Welt der Übertragung. Statt kodifizierte Kommunikation im gesellschaftlichen Kontext zu analysieren, wird von den Kommunikationstheoretikern die Gesellschaft vom Code her interpretiert.

Das lässt sich durchaus auch von Flusser sagen. Er fasst Kultur als Code. In seiner Skizze von Flussers Denken arbeitet Dieter Mersch (1) drei Schwerpunkte heraus.

In einer Kommunikologie scheidet Flusser den kulturellen Code in zwei Momente. Im Diskurs fasst er das dauerhafte strukturelle Netz der Codes, die Infrastruktur der Kommunikation. Als dynamisches und kreatives Moment sieht er den Dialog. Einmal mehr scheint hier die seit Platon diskutierte Spannung zwischen Schrift und Rede auf. Flusser sieht den Code als zweite Wirklichkeit, die für den Menschen zur ersten Wirklichkeit wird. Flusser fasst allerdings den Begriff des Codes weiter als Schrift. Der Code bestimmt die Möglichkeiten, die Welt wahrzunehmen und zu handeln: Er ist Sinn und Kerker gleichzeitig.

Mit seiner These des Informationszeitalters etabliert Flusser eine Geschichtsphilosophie. Es folgen aufeinander die Perioden von Bild, Schrift und Technobild. Bilder sind statisch und flächig. Die Schriftkultur wird mit Erzählung, Drama und Kausalität in Verbindung gebracht und von Flusser durchaus negativ für die Herausbildung der westlichen linear denkenden Kultur in Verbindung gebracht.

Mit dem Konzept der Komputationen verweist Flusser auf das Potential von TV und Computern, frei gestaltbare Techno-Bilder zu generieren. Das Denken sei da nicht mehr buchstäblich, sondern numerisch. Das lineare Lesen würde abgelöst durch ein Verfolgen von Verweisen. Ganz allgemein erwartet Flusser, dass aus Modellen erzeugte visuelle Konstrukte eine neuartige und wichtige Rolle spielen würden.

Die Beschäftigung mit Flusser hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Zum einen entfaltet er produktive Momente eines codebasierten Ansatzes, wirft kreative Gedanken in die Diskussion und bringt relevante Fragestellung auf. Aber sein Diskurs bleibt inkonsistent, erratisch und faktenfern, sodass er gar nicht verifizierbar oder widerlegbar ist. Das ist die Freiheit der (Medien)Philosophen: in der Transitzone zur religionsförmigen Weltanschauung stehen keine Schranken.

1) Dieter Mersch. Medientheorien zur Einführung. Junius. Hamburg 2006.

Schillernder Medienbegriff

Am 19. September hat die Lesegruppe der Digitalen Allmend die neue Saison eröffnet. Wir beschäftigen uns mit Medientheorien und besprechen das entsprechende Buch von Dieter Mersch (1).

Mersch betont die Vielgliedrigkeit und schwere Fassbarkeit des Medienbegriffs. Die Vielgliedrigkeit rührt daher, dass ganz verschiedene Stränge in den Begriff eingegangen sind. Als die wichtigsten identifiziert Mersch die Wahrnehmungstheorie seit der Antike, die Sprachtheorie des 18. Jahrhunderts und die Kommunikationstechnologien seit dem 19. Jahrhundert. Die Betrachtung von Kommunikationsmedien setzt also relativ spät ein: mit der Sprachtheorie. Die Reflexion der Massenmedien beginnt mit deren Durchbruch in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts. Erst jetzt wird der Medienbegriff im Alltagsgebrauch darauf gerichtet. Noch um 1900 dachten die meisten Menschen beim Medium an eine spiritistische Sitzung.

Mersch betont die Negativität des Medienbegriffs. Weil es sich um eine Instanz der Vermittlung, des Dazwischen handelt, „kann es nicht positiv modelliert werden“ (S. 17). Hier wird in der Diskussion Kritik an der Absolutheit des Postulats laut: Wenn das gesellschaftliche Umfeld und die Akteure charakterisiert werden können, kann auch das Medium entsprechend gefasst werden. Anhand etwa des Begriffs der Mobilität überlegen wir, dass auch andere Konzepte lösgelöst von Zeit und Umständen nicht hinreichend beschrieben werden können.

In der Antike prägt Aristoteles den Medienbegriff als physikalisches Kozept. Beim Sehen braucht es ein Drittes, das dem Auge das Sehen eines Gegenstandes erlaubt. Dieses Notwendige ist aber nicht fassbar, es ist transparent und konturlos, eine Art eigenschaftsloser Zwischenraum. Das Medium besänftigt so auch die Angst vor dem Nichts, den horror vacui. Noch lange werden sich die Menschen im allgemeinen und die Wissenschafter im speziellen nicht vorstellen können, das sich im Nichts etwas fortbewegen kann. Als im 18. Jahrhundert Magnetismus und Schwerkraft intensiv diskutiert werden, lebt die Vorstellung des zwischenräumlichen Mediums erneut auf.

Bereits im 17. Jahrhundert erlebt die Medienthematik einen Aufschwung. Das Interesse an Optik und Akustik bringt die Frage nach Transportmedien für Licht und Schall aufs Tapet.

Die Romantik bringt eine radikale Verschiebung. Das Konzept des Mediums wird in die Kunstbetrachtung eingebracht. Medien sind in einem Kontext der Produktion Elemente der Ermöglichung. Medien ermöglichen die Hervorbringung von Abbildern. Weil diese Abbilder produziert sind und nicht einfach eine Kopie des Abgebildeten darstellen, bergen Medien das Potential der Entfremdung und Täuschung. Damit setzt eine negative Bewertung des Medialen ein die dem Begriff bis heute anhängt.

Sie scheint auch in der aktuellen Web 2.0 Diskussion auf, wenn den (verfälschten) institutionalisierten Massenmedien eine (ursprüngliche, unmittelbare) Medienszene von Citizen JournalistInnen und Bloggern gegenübergestellt wird.

Die Entwicklung der Nachrichtenübertragung, die im 19. Jahrhundert mit dem Telegraphen einsetzt, bewirkt eine neuerliche Verschiebung der Wahrnehmung des Medialen. Es erscheint ein neuer Bedeutungsstrang. Das Ökosystem der Zeichen wird mathematisiert und technisiert. Das Medium wird kybernetisch – zum Kanal für den reibungslosen Fluss der Signale.

* * *

Nach den ersten paar Dutzend Seiten hinterlässt das Buch einen ausgezeichneten Eindruck. Knapp und doch verständlich werden Entwicklungslinien und die Vielfalt der Einflüsse ins Licht gerückt.

1) Dieter Mersch. Medientheorien zur Einführung. Junius. Hamburg 2006.

Medien im Qualitätstest

Wie entwickelt sich die Qualität der Schweizer Medien im Zeitalter von Gratiszeitungen und Internet? Dieser Frage geht ein Jahrbuch nach, welches ein Team um Professor Kurt Imhof an der Universität Zürich publiziert hat. Lesegruppe der Digitalen Allmend hat sich mit dem Kapitel über online-Medien beschäftigt. Untersucht wird der Web-Auftritt etablierter Printmedien.

Dreh- und Angelpunkt der Untersuchung bilden vier Qualitätskriterien, die aus einer aufklärerischen Konzeption von Öffentlichkeit und Politik begründet werden:

Vielfalt folgt aus dem Universalitätsanspruch öffentlicher Kommunikation, in der keine Meinung ausgeschlossen sein soll. Das Jahrbuch kritisiert die im online Bereich vorherrschende Boulevardisierung, welche für die Gesellschaft wichtige Ressorts wie Politik oder Wirtschaft an den Rand drängt. Wenn sie behandelt werden, dann in einer emotionalisierenden und personalisierenden Weise.

Relevanz meint gesellschaftliche respektive politische Bedeutung – das Allgemeine, was alle angeht, hat Vorrang. Auch bei diesem Kriterium monieren die AutorInnen, dass „die Onlineinformationsangebote deutlich stärker zu einer personalisierenden und privatisierenden Berichterstattungslogik als die Presseausgaben“ tendieren. Die Webauftritte der Abonnementszeitungen „fokussieren stärker als ihre Printausgaben auf Sport- und Human Interest-Themen“.

Aktualität wird als Kriterium neben der zeitlichen mit einer qualitativen Dimension ausgestattet, was bei uns zu kritischen Kommentaren geführt hat. Die Autoren fassen Aktualität so, dass Medien auch „auch Kontext- und Hintergrundinformation bereitstellen“ sollen. Sie konstatieren in der Folge eine Vorliebe für „episodische Weltbeschreibungen zulasten der reflexiven Einbettung“. Als Ursachen werden Deprofessionalisierung und Ressourcenmangel genannt.

Professionalität wird gefasst als Streben nach Objektivität im Rahmen einer journalistischen Berufskultur. Als entsprechende Normen werden Transparenz, Faktentreue, thematische Kompetenz und Sachlichkeit genannt. Die Studie konstatiert kritisch die vorherrschende Rezyklierung von Agenturmeldungen und Material aus andern Bereichen des Medienkonzerns.

Kritisch haben wir in der Lesegruppe den Objektivitätsbegriff diskutiert, der als absolutes Kriterium nicht fassbar ist. Heruntergebrochen auf konkretere Kriterien wie Faktentreue oder Fachkompetenz entschärft sich das Problem ein Stück weit.

Weiter wurden die zahlreichen Überlappungen im Text bedauert. Zudem macht der Text einen etwas eingleisigen Eindruck, als ob die Tiefqualitätsthese schon vor der Untersuchung festgestanden hätte. Allerdings haben die AutorInnen durchaus auf Material gebaut. Für den online Teil wurden etwa 2000 Samples analysiert. Im Text fehlt allerdings die Herleitung und die Befunde werden etwas hölzern präsentiert. Interessierte LeserInnen folgen fürs Erste besser den guten Fazit-Einschüben, als sich den ganzen Text zu Gemüte zu führen. Empfehlenswert ist ein Gespräch mit Kurt Imhof als DRS2 Download, in dem er das Kriterienset begründet und die wichtigsten Ergebnisse der Studie vorstellt.

Fazit: Die Studie untersucht einen wichtigen Teilaspekt des medialen Strukturwandels anhand von nachvollziehbaren Kriterien und Methoden, aufbauend auf erhobenen Daten. Das bringt ein Gegengewicht zur Masse von Beiträgen, die in Form flauschigen Impressionen daherkommen.

Public Domain Day – Call for Rohstoffe

ALLE VERFÜGBAREN KRÄFTE SIND AUFGERUFEN WERKE ZU SAMMELN. WIR SUCHEN
noch Originale, Kopien, Texte, Bilder, Sachen, Skulpturen,
Architekturen, Musikstücke, Noten, Lieder, Fotos und andere Werke von
Menschen die 1940 gestorben sind. Das Material muss in digitaler Form
vorliegen oder als Original. Abbildungen von Dritten gelten nicht. Wir
benötigen auch keine Hinweise auf mögliche Artefakte. Gesucht sind
physische oder digitale Werke, die von unseren Künstlerinnen frei
bearbeitet, kopiert oder verändert werden können. Eine Liste mit den
Toten findest du auf Wikipedia im Totenbuch.
Darunter befinden sich prominente Urheber wie Leo Trotzki, Paul Klee,
Eric Gill, Camilla Meyer, Big Nose Kate, Nathanael West, Walter Kollo,
Walter Benjamin und viele andere deren Werke vielleicht schon
vergessen sind. Am Public Domain Jam am 1.1.2011 im Cabaret Voltaire
werden diese Daten mithilfe künstlerischer Techniken gemixt, gemasht
und redesignt.

Physische Werke im Cabaret Voltaire oder Dock18/Rote Fabrik Zürich abgeben. Digitale Werke auf wuala.com hochladen

Als Belohnung erwartet dich Zugang zu 1TB Daten zur freien Benutzung
und ein Neujahrsbrunch im Cabaret Voltaire am 1.1.2011. Fragen an
dock18(at)rotefabrik.ch

e-rara – Anfrage zur widersprüchlichen Nutzungslizenz bei Public Domain Werken

Wir haben heute folgendes E-Mail an das e-rara Projekt geschickt, um sie auf ein Problem ihrer Nutzungslizenz aufmerksam zu machen. Auf E-rara werden digitalisierte alte Drucke aus Schweizer Bibliotheken zur Verfügung gestellt.

Mit grossem Interesse haben wir die Publikation wichtiger Dokumente des kulturellen Erbes auf der Website e-rara.ch zur Kenntnis genommen.

Als Verein “Digitale Allmend” setzen wir uns für einen möglichst offenen Zugang zu Informationen ein. Daher begrüssen wir Ihre Dienstleistung sehr und würden Sie gerne als “Vorbild” in unserem Blog und anderen Auftritten erwähnen.

Was uns irritiert sind allerdings die Nutzungsbedingungen.

Soweit wir das beurteilen können, handelt es sich vollumfänglich um Werke, deren Urheberrechtsschutz abgelaufen ist und damit gemeinfrei sind. In den Nutzungsbedingungen schreiben sie jedoch, dass sämtliche Werke unter einer Creative Commons “by-nc-sa”-Lizenz stehen. Zusätzlich gibt es einen Widerspruch zwischen der durch die Angabe einer CC Lizenz erlaubten Weiterverbreitung eines Werkes und ihrer Angabe, dass die Werke nicht auf anderen Servern gespeichert werden dürfen.

Es ist ihnen selbstverständlich unbenommen, für die Dienstleistung der Erstellung der Scans Gebühren zu erheben. Wenn diese Scans jedoch veröffentlicht werden, sind sie gemeinfrei, denn durch den Vorgang des Scannens entsteht kein urheberrechtlich geschütztes Werk.

Als Schweizer Vertreter von Creative Commons möchten wir Sie darauf hinweisen, dass diese Lizenzform nicht korrekt ist. Gemeinfreie Werke können nicht unter eine CC-Lizenz gestellt werden, sondern sind eben gemeinfrei. Jedermann ist befugt mit den Werken zu machen was er will.

Gerne erwarten wir Ihre Stellungnahme und stehen Ihnen bei Fragen rund um Creative Commons jederzeit gerne zur Verfügung.

Mit bestem Gruss und Gratulation für die Bemühungen um das kulturelle Erbe der Schweiz.

Für die Digitale Allmend und Team_CC Switzerland.

Freiheit und Urheberrecht

Welche Diskurse und Denkströmungen haben zur Herausbildung des geistigen Eigentums geführt? Wie werden Urheberrechte legitimiert? Diese Fragen sind keineswegs nur von historischem Interesse. Sie spielen auch in aktuellen Auseinandersetzungen eine Rolle, in denen verschiedene Player ihre Interessen zu begründen versuchen.

Im Januar hat die Lesegruppe der Digitalen Allmend einen historischen Übersichtsartikel diskutiert. Nun wenden wir uns den Konzepten der Aufklärung und ihrem Einfluss auf das Urheberrecht zu. Die Ideen eilten der Rechtsetzung weit voraus. Während Fichte oder die Französische Revolution schon Ende 18. Jahrhundert wesentliche Elemente entwickeln, wird das Urheberrecht erst spät im 19. Jh als juristisches Konzept fixiert und dann auch in geltendes Recht umgesetzt.

In seinem Artikel stellt Luf heraus dass „der Mensch als Subjekt verantworteter Freiheit“ den Angelpunkt aufklärerischer Rechtsbegründung bildet (1). Den einen Pol bildet ein Bild des Menschen als Subjekt und Person. Den zweiten Pol stellt die Freiheit dar, die jeder Person in gleichem Masse zusteht. Nun wird Freiheit nicht einfach in Richtung Meinungsäusserung oder Mobilität im Raum spezifiziert, sondern eng mit Eigentum verbunden.

Eigentum wird als exklusive Verfügungsgewalt über Sachen konzipiert. Dies soll die Handlungsfähigkeit und Freiheit des Individuums konstituieren, indem eine Sphäre vor Eingriffen durch Dritte oder den Staat abgeschirmt wird. Der Sachbegriff und mit ihm das Eigentum wird nun weit über Materielles hinaus gefasst und umfasst die ganze rechtlich garantierte Handlungssphäre. Der Aufschwung dieser individualistischen Konzepte war im absolutistischen und ständischen 18. Jahrhundert revolutionär und wirkt bis heute weiter.

Es ist offensichtlich, dass dieser weite Eigentumsbegriff sich dafür eignet, auf kulturelle Produkte angewandt zu werden. In der naturrechtlichen Begründung von Eigentum blickt Locke auf einen imaginären Naturzustand. Über seine Person und das Werk seiner Hände „hat niemand ein Recht als nur er allein“. Indem ein Individuum einem gemeinsamen Gut etwas durch Arbeit hinzufügt, gewinnt es ein Recht an diesem Mehr. In der Diskussion haben wir festgestellt, dass hier nicht nur Konzepte des geistigen Eigentums, sondern auch die Arbeitswerttheorie eines gewissen Karl Marx andocken: Die Arbeiterklasse als soziales Subjekt schafft in der Arbeit Werte, von denen sie enteignet wird.

Ein weit gefasster Eigentumsbegriff hat keineswegs automatisch zu handhabbaren Vorstellungen geführt. Wie nun Werkbegriff, Urheberschaft oder Rechtsansprüche der Schöpfer zu fassen seien, darüber wurde das ganze 19. Jahrhundert lebhaft geforscht und gestritten. Vorarbeit am Werkbegriff leistete etwa Fichte. Er unterscheidet Ende 18. Jh in einem ersten Schritt das Körperliche (das Papier) vom Geistigen eines Buchs. Das Papier kann problemlos in Eigentum übergehen. Beim Geistigen unterscheidet Ficht erneut: Am Inhalt, an den transportierten Gedanken kann kein privates Eigentum begründet werden – es wird und bleibt Gemeingut. Die Form hingegen entspringt dem schöpferischen Prozess des Autors und begründet eine unveräusserliches Eigentumsrecht des Autors. Dieser Prototyp des Werkbegriffs entfaltete nur langsam seine Wirkung.

Ein temporäreres Grosslabor für neue Konzepte bildet die Französische Revolution, die mit dem Absolutismus auch die königlichen Druckprivilegien stürzt. Ein gesetzlicher Schutz des „propriété littéraire et artistique“ wird geschaffen. Künstlerische Werke werden als „die heiligste und persönlichste aller Formen des Eigentums“ gefeiert.

Bemerkenswert für weite Teile des 19. Jh ist die Tatsache, dass konzeptuell der Künstler in den Mittelpunkt rückte, dies aber lange nur als Angelpunkt für Regulierung von Verlagsinteressen diente. Erst spät im 19. Jh wurden die Rechte der Künstler in einer für diese selbst nützlichen Form gefasst.

Die hier diskutierten Konzepte von individueller Freiheit und individuellen Verfügungsrechten an geistigen Schöpfungen bilden eine machtvolle Begründungslinie für die Ansprüche von Kulturschaffenden. Sie lösen aber nicht die Problematik auf, wie diese Interessen mit anderen legitimen Interessen, etwa denen der Allgemeinheit, zu moderieren sind. Sie bestimmen auch keineswegs mechanisch, wie immaterielle Rechte ausgestaltet werden und wie weit sie reichen.

Bei intensivem Gespräch sind knisternde Kontroversen in der Lesegruppe diesmal ausgeblieben. Als spannende Frage ist stehen geblieben, ob und wie weit sich kritische Positionen in den letzten Jahren auch gegen die begründenden Basics von individuellen Schöpferrechten wenden – etwa Stallmann.

1) Luf, Gerhard: Philosophische Strömungen in der Aufklärung und ihr Einfluss auf das Urheberrecht, in Dittrich, Robert (Hg) Woher kommt das Urheberrecht und wohin geht es. Wien 1988.

Zur historischen Entwicklung von Urheberrecht und Geistigem Eigentum

Die Lesegruppe hat aus dem Report des European Communication Council ECC das Kapitel von Hannes Siegrist über die historische Entwicklung des Geistigen Eigentums gelesen. (1)

Siegrist betont gleich zu Beginn, dass es sich bei Autorschaft und Geistigem Eigentum um soziale, kulturelle und gesetzliche Konstrukte handle und setzt sich damit deutlich ab von jenen Betrachtungsweisen und Disziplinen, die den Autoren, das Werk oder das Geistige Eigentum ahistorisch als zeitlose, quasi natürliche Phänomene betrachten.

In der vormodernen Ständegesellschaft, so breitet es der Text dann aus, lag die Verfügung über Symbole und Formen von Wissen in der Hand weltlicher und kirchlicher Obrigkeiten; dieses Recht begründete sich aus Religion, Tradition und Gewohnheitsrecht. Herrscher, Päpste und freie Städte verliehen Privilegien: die Universitäten kontrollierten das medizinische und rechtliche Wissen, Zünfte das technische Wissen von Handwerkern und Kunstgewerblern, Handelsgesellschaften das Wirtschaftswissen. Dannzumal lag das Druck- oder Publikationsrecht bei Druckern und Verlegern – und nicht etwa bei den Autoren, die gerade nur gelegentlich belohnt wurden. Erst mit dem so genannten «Statute of Anne», dem eigentlichen Beginn eines Urhebergesetzes 1710 in England und ähnlichen Regelungen in Frankreich um dieselbe Zeit, wurde der Verfasser als gesetzlicher Urheber eines Werkes anerkannt. Damit wurde nicht nur der Autor über Drucker und Verleger gestellt, indem er per Vertrag die Rechte zur Reproduktion und Verbreitung seines Werkes abtreten konnte, es wurde auch die geistige Arbeit gegenüber Handels- und Handwerksarbeit höher gestellt; das Verhältnis zwischen materiellen und immateriellen Anteilen eines Werks war neu definiert.

Der Autor in einem modernen Verständnis als kreatives Individuum taucht dann aber erst in der Folge der Aufklärung auf: Die Ablösung von Traditionen und althergebrachten Mustern und ein Bewusstsein für das freie Denken bringen ihn in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts als Erfinder und Schöpfer von Werken eigentlich erst hervor.

Schriftsteller und Autoren haben sich in der Folge auch über die aufführenden Künstler und angewanden Künste gesetzt. Erst im Laufe des 20. Jahrhunderts wurde diese Hierarchie aufgrund von Veränderungen in der Arbeitsteilung in Theater, Film und Fernsehproduktion in Frage gestellt: Produzenten, Regisseure, Schauspieler und Musiker machten den kreativen Anteil ihrer Arbeit und den Anspruch an dessen Originalität mehr und mehr geltend. Das 20. Jahrhundert schliesslich hat eine völlige Umgestaltung dessen gesehen, was als Kreativität gilt: von der seltenen schöpferischen Begabung des Genies zu einem allgemeinen menschlichen Attribut. Parallel dazu kommen in der modernen, kommerzialisierten Massen- und Populärkultur immer mehr Werke verschiedenster Gattungen unter den Schutz eines Copyrights, die oft sogar nicht einmal den Anspruch an Originalität vertreten, beispielsweise elektronisch unterstützte Mixtures von Bild und Ton.

Der Historiker der Lesegruppe merkt zum geschichtlichen Abriss des Textes kritisch an, dass er da und dort gern genauere Beispiele und Daten gehabt hätte, die Siegrist hier zumeist schuldig bleibt. Der Text ist tatsächlich sehr summarisch, zeichnet aber anschaulich und lesbar die groben Entwicklungslinien nach.

Kein Blick in die Zukunft: Die historische Forschung zeige – Siegrist weist mehrfach darauf hin – dass das Prinzip des Geistigen Eigentums eigentlich nie nur der Abgeltung der Autoren gedient habe, sondern dass der Zweck immer gleichfalls war, das dynamische Zusammenspiel von Kultur, Gesellschaft und Wirtschaft sicher zu stellen und einen Ausgleich zwischen den Rechten der Autoren, der Verleger und dem öffentlichen Interesse zu schaffen. (So sprach schon der «statute of Anne», der eigentliche Meilenstein in der Urheberrechtsgeschichte, einem Schriftsteller zwar ein urheberrechtliches Eigentum an seinem Werk zu, das für die nächsten 14 Jahre gesichert sein sollte. Dazu war eine Erneuerung seiner Rechte um weitere 14 Jahre möglich, solange der Autor noch lebte.) Gleichzeitig wurde aber damit auch schon der «Public Domain» geschaffen, was bedeutet, dass der Eigentümer des Urheberrechts nach Ablauf dieser Zeit auf den Gebrauch seines Werkes keinen Einfluss mehr hatte.
Befürchtungen, dass Konzepte des Geistigen Eigentums aus der Kontrolle geraten und das Ende jeder Autorschaft bevorstehe, können also durchaus in dieser Tradition der Kontroversen, aber auch Bemühungen um den Ausgleich zwischen individuellem und öffentlichem Gut gelesen werden. Das Veränderungspotential der Digitalisierung und des Internets ist aber auch in diesem Bereich gewaltig und äusserst dynamisch. Nicht nur wird die vorherige Zuschreibung von Wissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Werken zu traditionellen Berufsständen und Inhabern mehr und mehr in Frage gestellt und ist der Schutz entlang nationaler Grenzen kaum mehr zu gewährleisten. Wenn der Wert einer Autorschaft heute weniger durch deren intellektuelle Errungenschaft bestimmt wird als durch die Nachfrage, verändern sich auch soziale, ökonomische und kulturelle Rangordnungen. Wie unter diesen veränderten Bedingungen produktive Begleichungen zu gewährleisten wären, lässt der Text verständlicherweise offen.

1 Hannes Siegrist: The History and Currrent Problems of Intellectual Propery (1600-2000); in: Axel Zerdick … et al.: E-Merging Media. Communication and the Media Economy of the Future. European Communication Council Report. Berlin, 2005. (D: E-Merging Media. Kommunikation und Medienwirtschaft der Zukunft. Berlin, 2004).

European Communication Council ECC: Gruppe vorwiegend europäischer Kommunikationswissenschaftler. Der erste ökonomisch ausgerichtete Bericht «Die Internet-Ökonomie – Strategien für die digitale Wirtschaft» erschien 1999 als European Communication Council Report und befasste sich mit dem Einfluss neuer Technologien auf die Medien- und Kommunikationsindustrie. Dieser dritte Bericht des ECC untersucht aus unterschiedlichen Blickwinkeln den Wandel der Medienlandschaft.

Hannes Siegrist: Prof. Dr. habil., Universität Leipzig, Bereich vergleichende Kultur- und Gesellschaftsgeschichte

1.1.2010 13-19 Uhr Public Domain Day

Generationenübergreifender Neujahrsbrunch für Kinder und Erwachsene ebenso

Wir begrüssen an diesem Tag eine Reihe von Werken, die als Gemeineigentum verfügbar sind. Dabei handelt es sich um all jene Werke, die von Menschen erstellt wurden, die im Jahr 1939 gestorben sind.

Alle gesammelten Werke sind online verfügbar. Auf wildprovider.freehostia.com wird von 1.-30.Dezember täglich ein Link zu einem freien Werk vorgestellt.

Gemeinsam mit unseren Kindern verändern und bearbeiten wir eine Auswahl dieser Werke, die ab sofort unseren Kindern gehören.

So singen wir vereint das Dachaulied nach Jura Soyver im Karaokestil mit Ekaraoke.net, bereiten das grösste Müesli der Welt zur Freude von Maximilian Bircher-Benner, produzieren eine originale kollaborativ-dadaistische Collage mit Werken von Alphonse Mucha, Hermann Hirzel und Adolf Brütt, übersetzen Gedichte von
Roth, Duun und Aav während Filme nach Zane Grey und von Max Skladanowsky zum kostenlosen Download sowie bedeutende Jazzwerke in den Röhrenapparaten laufen. Daneben haben wir Zeit für einen gemütlichen Kaffee und brunchen ins neue Jahr mit der Gesamtausgabe von Sigmund Freud’s Psychoanalyse als Kopie.

So retten wir ein Stück kulturelles Erbe für unsere Kinder mit Top Unterhaltung.

Eine Veranstaltung von Dock18, Digitale Allmend und Wikimedia Schweiz.

Was ist Public Domain?
Unter Public Domain werden frei verfügbare Werke verstanden, wie zum Beispiele Literatur Musik oder Software. Werke im Public Domain unterliegen nicht oder nicht mehr dem Urheberrecht. Das Urheberrecht für Werke ist zetlich beschränkt, weshalb alle Werke längerfristig in den Public Domain fallen. Die zeitliche Beschränkung führt dazu, dass die Werke frei genutzt, d.h. vervielfältigt und verändert werden dürfen. Es ist ein Kompromiss zwischen den Interessen der Öffentlichkeit und des Urhebers. In den meisten Ländern ist dies 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers der Fall. Am 1.1.2010 werden alle Werke von Urhebern, welche 1939 gestorben sind frei. Zum Teil gibt es noch kürzere Übergangsfristen, weshalb in gewissen Staaten Werke schon früher im Public Domain sein können.

Public Domain Day
Für Kinder und Erwachsene ebenso
Cabaret Voltaire, Spiegelgasse 1, Zürich
http://www.cabaretvoltaire.ch/

1.1.2010
13-19 Uhr