Gestern haben sich in Berlin Vertreter von NGO‘s aus Deutschland und anderen Ländern getroffen, um auf die Problematik eines immer stärker ausgeprägten Schutzes von geistigem Eigentum hinzuweisen. Dabei kamen Aktivisten aus unterschiedlichen Bereichen zusammen, bei denen Zugang zu Wissen (a2k) eine wichtige Rolle spielt.
Die ganztägige Diskussionsveranstaltung fand im Vorfeld des G8-Gipfels statt, der nächsten Sommer in Deutschland abgehalten werden soll. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat bereits angekündigt, geistige Eigentumsrechte zu einem der Hauptthemen an dem Gipfel zu machen. Dass verfolgte Ziel hierbei ist eine Stärkung geistiger Eigentumsrechte, welche der deutschen Wirtschaft Wettbewerbsvorteile verschaffen soll.
Wissen ist in der heutigen Informationsgesellschaft wertvoller als je zuvor und zu einem der wichtigsten Produktionsfaktoren herangewachsen. Wissen hat aber nicht nur einen ökonomischen, sondern auch einen sozialen und kulturellen Wert.
Von den anwesenden NGO’s wurde insbesondere kritisiert, dass durch diese Entwicklung gerade in Ländern des globalen Südens Entwicklungen behindert, Verbraucherinteressen geschädigt, medizinische Versorgung blockiert und teilweise massiv Menschenrechte verletzt würden.
Ein Bündnis aus momentan 19 NGO’s und anderen Organisationen will nun gemeinsam darauf aufmerksam machen, welche negativen Folgen in Kauf genommen werden müssen, wenn weiterhin wirtschaftliche Interessen über gesellschaftliche Interessen gehoben werden.
Die Diskussionen und Vorträge drehten sich vorallem um die Bereiche Medikamente, Saatgut und Filesharing/Urheberrecht.
Tobias Luppe von der Organisation «Ärzte ohne Grenzen» stellte beispielsweise die Regelung von Patenten bei Medikamenten in Frage, die zur Folge hat, dass sich viele Menschen auf der Welt lebensnotwendige Medikamente nicht leisten können. Auch die Patente an Lebewesen und Pflanzen wurden stark kritisiert. Georg Janssen von der AbL schilderte, wie Saatgut-Konzerne gerade versuchen würden, über die schleichende Einführung von genverändertem Saatgut die Bauern in ihre Abhängigkeit zu treiben.
Peter Jenner, der ehemalige Manager von Pink Floyd und Generalsekretär des Internationalen Musik-Manager-Forums, wies auf die Missstände in der Musikindustrie hin. Er plädierte für ein Kompensationssystem, das über einen leicht erhöhten Internetzugang finanziert werden soll. Neben Geräteabgaben, wie man sie bereits kennt, schlägt er vor, dass die ISP‘s auf jeden Internetzugang einen kleinen Betrag aufschlagen, der dann den Musikern zukommen soll. In Deutschland währen das etwa 4 Euro pro Monat. Nach ihm ist ein pauschales Vergütungssystem der einzige Weg, um den Grundgedanken eines freien Informationsflusses im Netz zu erhalten. Jeder hätte dann Zugang zum gesamten Musikangebot. Insbesondere das Sampling, welches Jenner als «unheimlich wichtig» bezeichnet, würde so nicht behindert. Nach Peter Jenner gäbe es selbst bei einem solchen Vergütungssystem noch genügend Möglichkeiten für kommerzielle Musik-Dienste über das Internet. Beispielsweise einem Dienst zur Filterung von Musik, der gegen Bezahlung genutzt werden könnte.
Interessant war die Einschätzung von Peter Jenner über die Zukunft der Musikindustrie. Er meinte, die Musikindustrie hätte nun eingesehen, dass die Einschüchterungsversuche von Nutzer keinen Erfolg bringen würde. Wie wir bereits berichteten, ist er auch der Meinung, dass sich die Musikindustrie mit DRM «selber in den Fuss schiesst».
Hingegen hätte am Vortag bei einem IFPI-Treffen in Brüssel selbst der Vorsitzende von IFPI, die erfolgreiche Plattform YouTube als innovatives Beispiel erwähnt, obwohl YouTube nur dank Urheberrechtsverletzungen so erfolgreich wurde. Kennzeichnend an der Entwicklung von Diensten wie YouTube ist laut Jenner aber auch, dass dort das Sampling eine grosse Rolle spielt und die «Grenzen zwischen Künstler (Gestalter) und Konsument verwischen».
Die Slides, Ton- und Videoaufzeichnungen aller Vorträge der Veranstaltung werden demnächst auf der Website der G8 NGO-Plattform zum Download bereitstehen. Zudem hat Markus Beckedahl von Netzpolitik.org ein halbstündiges Interview mit Peter Jenner gemacht, dass bald als Podcast und Download auf seinem Weblog zur Verfügung stehen wird.