Nachruf aufs Öffentliche

Die Strafverfolger seines Landes verfolgten ihn gnaden- wie bedingungslos. Nicht weil er – im höheren Regierungsauftrag – ganze Stadtviertel im Irak oder Dörfer in Afghanistan wegen vorgeblich verdächtiger Zivilisten eliminierte. Er kämpfte lediglich für Informations- und Gemeinfreiheit oder die Interessen der zahlenden Allgemeinheit – ohne sich in seinen jungen Jahren jemals persönlich oder unverdient zu bereichern.

Aaron Swartz war ein hochbegabter Bewegter, Getriebener wie Streitender fürs Öffentliche – ob Zugang (Access) oder Teilhabe (CC) und Gemeinfreiheit (Public Domain). Er kämpfte unermüdlich, bisweilen auch mit umstrittenen Mitteln für gemeine Werte, wo andere sich einzig um private Vorteile und Vereinnahmungen kümmern oder sich auf Kosten anderer schamlos bereichern.

Die Strafverfolger seines Landes jagen nicht mächtige Bankiers und Finanzspekulanten, die das Land und die Weltwirtschaft bisweilen an den Abgrund trieben, Volksvermögen ruinierten, um eigenes zu mehren. Solch schwere Verbrechen bleiben weiterhin folgenlos, ungestraft und ungesühnt. Strafverfolger machen ja auch nur ihren Job im Sinne der Mächtigen oder nach stupider Auslegung irgendwelcher Gesetze.

Aaron hingegen hat seinen bisher öffentlichen Kampf zuletzt tragisch privatisiert. In seiner Verzweiflung über den lamentablen Zustand des Öffentlichen wie die korrumpierten, doch im öffentlichen Auftrag handelnden Strafverfolger hat er seinem jungen Leben ein jähes Ende gesetzt. Wir trauern um Aaron, der in seinen viel zu wenigen Jahren alles Öffentliche so ungemein bereicherte.

Wolf Ludwig

7 thoughts on “Nachruf aufs Öffentliche

  1. Ich schliesse mich der Trauer an, aber imho müsste man in obigem Text korrekterweise anstelle von “umstrittenen Mitteln” das Vorgefallene beim Namen nennen: “illegale Mittel”.

    • @irgendeiner: Freue mich, dass Sie unsere Trauer teilen! Doch frage ich mich: Entweder haben Sie den Nachruftext nicht richtig gelesen, oder nicht ganz verstanden, ansonsten wäre Ihr Hinweis wohl hinfällig? Denn in diesem Zusammenhang habe ich bewusst „umstrittene Mittel“ und nicht „illegale Mittel“ geschrieben. Ein rein formalistisches Verständnis von „Legalität“ (im Unterschied zur „Legitimität“), das in der amtlichen Vollzugspraxis die Grossen unbehelligt lässt, dafür die Kleinen unnachsichtig wie unverhältnismässig zur Rechenschaft zieht, entbehrt oder verliert mit der Zeit jegliche Glaubwürdigkeit wie gesellschaftliche Akzeptanz. Die ethisch Bewussten zerbrechen daran – siehe Aaron, andere horten und verprassen ihren illegitim erworbenen Reichtum skrupellos in irgendeinem Steuerparadies … Oder haben Sie schon einmal gehört, dass sich ein (Finanz-)Spekulant wegen des von ihm verursachten Schadens oder aus Scham das Leben nahm?

  2. Noch ein Nachtrag zum “irgendeiner”-Hinweis und “das Vorgefallene beim Namen nennen: ‘illegale Mittel'”: In den USA lanciert Lawrence Lessig mit Demand Progress eine Kampagne “Demand justice for Aaron: Support ‘Aaron’s Law’ and inquiry into his prosecution”. Damit unsere Trauer nicht individuell und damit wirkungslos bleibt, empfehle ich, diese Aktion zu unterstützen, damit solche absurden Gesetze (wie CFAA) korrigiert werden — siehe http://act.demandprogress.org/letter/aaron_justice/?akid=1969.608663.YrW-aP&rd=1&t=2

  3. Es gibt genug ebenso “bekannte” Juristen (Lessig, Liivak u. a. m.), die das ganz anders beurteilen!

    • Links bitte!!
      Ich kann mir echt nicht vorstellen, wie ein Jurist argumentieren könnte, dass keine US-Gesetze verletzt worden seien!

  4. Der Link zu Lessig steht schon oben (17.01. – DemandProgress) sowie (Zitat eines Kollegen) “In oscar liivak’s intellectual property course, offered at cornell law, spring term 2011, the jstor/mit case was discussed. Prof. liivak did not assume without question that free data, when compiled for subscription (pay for fee access), is converted into private property. the point being that under us intellectual property law the jstor/mit set of claims may have failed as a matter of law.”
    Neben rein formal-juristischen Betrachtungen gibt’s auch noch politische — und ich habe in all meinen Ausführungen zum Thema klar und deutlich politisch argumentiert! Wie sagte einst Horst Ehmke (SPD-Politiker und Prof. für Öffentliches Recht in Freiburg/D) so treffend: “Die Weltgeschichte ist kein Amtsgericht.”