FAQ: SUISA und Creative Commons (Teil 2)

Bereits im Oktober 2006 haben wir eine FAQ zu Creative Commons und SUISA veröffentlicht, in der die grundlegendsten Punkte angesprochen wurden.
Im 2. und 3. Teil dieser Serie haben wir nochmals genau nachgefragt und wollten von der SUISA wissen, wie es im Detail aussieht. Poto Wegener (Leiter der Urheberabteilung bei der SUISA) war so freundlich, uns auch diese Fragen ausführlich zu beantworten.

1.) Im Jahresbericht der SUISA von 2005 ist zu lesen, dass über 70% der ausbezahlten Urheber weniger als CHF 500.- und rund 44% weniger als CHF 100.- verdient haben.
Im Jahresbericht der SUISA von 2006 ist zu lesen, dass von den ausbezahlten SUISA-Mitglieder 72% zwischen CHF 1.- und CHF 99.- verdient haben. Nicht berücksichtigt sind in dieser Statisktik jene, die gar nichts ausbezahlt bekamen. Das dürften etwa die Hälfte aller Urheber sein, die bei der SUISA angemeldet sind.
Würden sie einem Songwriter, der so wenig von der SUISA ausbezahlt bekommt trotzdem raten, SUISA-Mitglied zu bleiben?

Ja. Zwar muss jeder Urheber selber entscheiden, ob er den Vertrag mit der SUISA aufrecht erhalten oder künden will. Dabei ist aber folgendes zu bedenken. Das Musikgeschäft ist voller Überraschungen: Ein Werk, das heute keine oder nur wenige Einnahmen generiert, kann zu einem späteren Zeitpunkt aus irgendwelchen Gründen ein Revival erleben und dem Urheber neue und unerwartete Einnahmen bescheren. Jüngstes Beispiel: Das Werk «Campari Soda» stammt von 1977, es blieb lange ein Geheimtipp. Erst mehr als 20 Jahre nach dem Release wurde der Song durch die Versionen von Span und Stephan Eicher vermehrt genutzt. Im Jahre 2006 kam der Titel erstmals als Single heraus, nachdem er als Musik für einen Werbespot verwendet wurde. Im Januar 2007 erreichte «Campari Soda» schliesslich Platz 3 der Single-Charts.

2.) Wäre es einem SUISA-Mitglied erlaubt, Creative Commons Musikstücke unter einem Pseudonym zu veröffentlichen, das er der SUISA nicht mitgeteilt hat?

Nein. Der Vertrag mit der SUISA (= Wahrnehmungsvertrag) bezieht sich nach Ziff. 2.1 «auf alle nichtdramatischen Musikwerke und deren allfällige Texte (Originalwerke und Bearbeitungen), die der Urheber während der Dauer dieses Vertrages schaffen oder (gemeinsam mit anderen) mitschaffen wird». Ausserdem wird im Vertrag festgehalten, «während der Dauer dieses Vertrages können keine Werke von diesem Vertrag ausgenommen werden».
Will der Urheber ein Pseudonym wählen muss er dies nach Ziff. 7 des Vertrags «im Einvernehmen mit der SUISA … wählen, damit eine Verwechslung mit anderen Namen oder Pseudonymen vermieden werden kann». (Grund: Es soll verhindert werden, dass aufgrund zwei gleicher Pseudonyme Entschädigungen dem falschen Musiker ausbezahlt werden.) Das / die Pseudonym/e sind im Anhang des Vertrags anzuführen.

3.) Im FAQ auf der SUISA-Website steht, dass es einem Urheber freigestellt ist, anstelle der SUISA Mitglied bei einer ausländischen Verwertungsgesellschaft zu werden. Wenn ich beispielsweise Mitglied bei einer Gesellschaft in den USA wäre, hätte ich die Möglichkeit, einen Teil meiner Werke unter eine Creative Commons Lizenz zu stellen. Welche Gründe sprechen aus Sicht eines Schweizer Musikers dagegen, dies zu tun?

Ja, es ist einem Urheber unbenommen, bei einer ausländischen Gesellschaft Mitglied zu werden. Gegen dieses Vorgehen sprechen aber zahlreiche Gründe:

  • So ist zu beachten, dass der Musiker die Aufnahmebedingungen der ausländischen Gesellschaft erfüllen muss, was unter Umständen schwierig sein kann. Beispielsweise nehmen die meisten europäischen Gesellschaften keine Schweizer Urheber auf, sofern diese nicht über einen Wohnsitz im entsprechenden Land verfügen oder Bürger dieses Staates sind. Dieses Vorgehen ist damit zu begründen, dass die Schweiz nicht EU-Mitglied ist.
  • Ebenfalls kenne ich keine europäische Gesellschaft, bei der es dem Mitglied möglich ist, seine Werke unter Creative Commons zu veröffentlichen.
  • Die Verwertungsgesellschaften in den USA weisen zudem folgende Eigenheit auf: Die Gesellschaften kümmern sich nur um die Verwertung von Aufführungs- und Senderechten. Das bedeutet, dass der Urheber die mechanischen Rechte in den USA selbst wahrnehmen muss, also beispielsweise Entschädigungen direkt einkassieren muss, wenn sein Song auf einer CD veröffentlicht wird. Dieses Vorgehen dürfte in der Praxis für einen Schweizer Urheber zum Scheitern verurteilt sein. Denn er wird in aller Regel nicht erfahren, dass sein Song auf einer US-CD veröffentlicht wird (Ausnahme: er ist zugleich Interpret). Hat er jedoch Kenntnis von der Nutzung, ergibt sich das grundsätzliche Problem Gelder in den USA einzufordern.
  • Schliesslich sollte ein Urheber folgendes bedenken bevor er zu einer ausländischen Gesellschaft wechselt: Für einen Schweizer Musiker dürfte es um einiges einfacher sein mit der SUISA zu kommunizieren, als mit einer viel grösseren und anonymeren Gesellschaft in den USA oder andernorts.