Ökologie der Information

In seinem Buch «The Public Domain» fordert James Boyle „an environmentalism for information“ – ein Ökologie(bewegung) für Information. Dabei sucht er einen Weg zwischen allgemeinen Konzepten einerseits und konkreten Forderungen andererseits (1).

Im entsprechenden Kapitel 10 geht Boyle von der Frage aus, was denn eigentlich zu den unpraktischen und behindernden Einschränkungen bei Regulierungen zum geistigen Eigentum führt. Dabei ortet er kognitive Voreingenommenheit als wichtige Ursache: Er spricht von kultureller Phobie gegenüber Offenheit – von Agoraphobie. Diese Haltung führt dazu, immer die Bedenken und Risiken (wie Spam, Viren, Piraterie) in den Vordergrund zu rücken. Als Beispiele nennt der Autor Trusted Computing und Netzneutralität. Boyle räumt durchaus ein, dass Offenheit nicht immer angemessen ist. Als Grundhaltung hilft sie aber, das Potential von Wissenschaft und Kultur zu entfalten.

Die Lesegruppe der Digitalen Allmend diskutiert, wie weit Agoraphobie wirklich eine Mainstreamhaltung des westlichen Mittelstands sei. Immerhin sind ja auch zahlreiche Menschen bereit, in Bewegungen und Vereinen eine Reihe von Leistungen und Publikationen gratis und ohne Kontrolle in die Öffentlichkeit zu entlassen.

Boyle nimmt seine Agoraphobie-These zum Ausgangspunkt, um eine Ökologie der Information zu skizzieren, die sich in Inhalt und Form an der Umweltbewegung orientiert. Er ruft Elemente wie die Forderung nach der Internalisierung externer Kosten in Erinnerung, ohne sie im Detail auf die Informationsfreiheit zu übertragen. Ihn interessiert mehr die Entstehung einer Bewegung, welche sich für die öffentlichen Interessen der Informationsgesellschaft einsetzt – gegen starre Vorurteile und verfestigte Geisthaltungen.

Wie in der Diskussion vermerkt wird, bleiben die konkreten Forderungen des Autors ziemlich moderat, verglichen mit dem gross angelegten Konzept einer Informationsökologie. So möchte Boyle das Copyright bei Literatur auf zwanzig Jahre beschränken, dann aber eine Erneuerung auf Antrag zulassen. Als Fehlschlag im Geiste von engstirnigen politischen Interessen und Geisteshaltungen taxiert er die Europäische Datenbankdirektive. Die Aufhebung von Pharmapatenten hält er für eine schlechte Idee.

Boyle ist also weder Fundi noch Anhänger eines ‚anything goes‘. Er will konkrete Probleme angehen – mit „Ausgewogenheit, Nachdenklichkeit und empirischen Belegen“ (S. 238).

 

1) The Public Domain. Enclosing the Commons of the Mind. James Boyle, New Haven Ct, 2008. Der Autor macht das Buch auch verfügbar unter einer Creative Commons Lizenz: http://thepublicdomain.org

Comments are closed.