Medien im Nachkriegs-Vakuum

Die Lesegruppe der Digitalen Allmend hat sich mit der Medienlandschaft unter nationalsozialistischer Herrschaft befasst. Nun geht es um die Entwicklungen der Nachkriegszeit. Werner Faulstich interpretiert sie im Kontext eines „allgemeinen Wertevakuums“ (1).

Der Autor skizziert zwei Linien, um die herum dieses Vakuum gefüllt wurde. Konsum und Bewältigung. In den Trümmern der unmittelbaren Nachkriegszeit wuchsen die Fundamente der bundesrepublikanischen Konsumgesellschaft. Plakate und Anzeigen transportierten mit vorerst wenig innovativen medialen Mittel die Werbebotschaften für Konsumgüter. Faulstich spricht von einer „Kompensation durch Konsum“, welche die Orientierungskrise milderte und Material für eine neue Alltagskultur lieferte. Über die Konsumgüter hinaus nimmt Faulstich darum auch den Aufschwung von Comics und Groschenromanen in den Blick.

Offen lässt er, Comics in Deutschland auch einen nennenswerten erwachsenen Leserkreis fanden, wie in Frankreich. Zweifellos waren aber Arztromane, Landserhefte oder Jerry Cotton Geschichten sehr beliebt.

Zusammen mit dem Aufschwung von Presse und Taschenbüchern konstatieren wir für die fünfziger Jahre eine ausgeprägte Lesekultur, auch für längere Texte. Zusammen mit dem weiterhin bedeutenden Radio und der Ausbreitung des Fernsehens schliessen wir in der Diskussion auf einen quantitativ erhebliche Ausdehnung des Medienkonsums, der möglicherweise mit der Reduktion der Arbeitszeit zusammenhängt. Es stellt sich auch die Frage, wie weit eine Aufwertung des Bildungsgedankens den Konsum beeinflusste. Das Buch geht auf die Medienrezeption wenig ein.

Den Aspekt der Vergangenheitsbewältigung dokumentiert Faulstich anhand der Fotografie. Hier wurden etwa Kriegsserien, Trümmerfotos und auch Szenen aus Konzentrationslagern dokumentiert. Teilweise zwangen die Alliierten Ladenbesitzer dazu, derartige Darstellungen im Schaufenster auszustellen, um die Bevölkerung mit den Gräueln des Nationalsozialismus zu konzentrieren.

Hinter ein Verbinden einer kulturellen Strategie wie der Bewältigung mit einzelnen Medien hat die Diskussion ein Fragezeichen gesetzt. Sicher dienten Groschenhefte eher einfach der Unterhaltung. Gerade die Landserhefte tragen aber auch ein Element der (selektiven) Bewältigung. Die Fotografie entzieht sich aber Zuordnung, da gab es ja auch die grosse Bandbreite gedruckter Fotografien und den ganzen Bereich der privaten Alltagsfotografie.

Drastisch sichtbar wird in der NS-Zeit wie in den Nachkriegsjahren, wie die politischen und gesellschaftlich Randbedingungen die konkrete Medienlandschaft modellieren. Betroffen sind weniger die längerfristigen Entwicklungstrends der Medientechnologie, wohl aber die konkreten Medien, ihre Gestalt und Ausrichtung. Die Alliierten legten für Zeitungen und Rundfunk klare Bedingungen fest. Unter anderem bestanden sie auf einer starken Dezentralisierung der elektronischen Medien, die einem Hang zu zentralistisch-autoritärer Politik entgegenwirken sollten. Die Folgen zeigen sich bis heute auf jedem zentraleuropäischen TV: In Form der ARD und den starken Länderanstalten.

1) Werner Faulstich. Die Mediengeschichte des 20. Jahrhunderts. Fink 2012. Zitat S. 195

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