Die Frage nach Bedingungen der Herstellung einerseits und dem freien Zugang zu digitalen Wissensbeständen andererseits stellt sich auch im Sektor journalistisch aufbereiteter Inhalte. Zu beobachten sind etwa ein Niedergang des Qualitätsjournalismus hier und ein Wandel im Mediengebrauch dort; zugespitzt stellt sich Frage, ob die Tageszeitung der heutigen Form nicht ein medialer Dinosaurier ist. Die Lesegruppe – neugierig, wie die Zukunft ausschauen könnte – blickt in die USA und hat sich das Buch «Kreative Zerstörung. Niedergang und Neuerfindung des Zeitungsjournalismus in den USA»* vorgenommen.
Stephan Ruß-Mohl, Professor für Kommunikationswissenschaft an der Universität Lugano, hat die aktuelle Zeitungslandschaft der USA analysiert und fasst seine Schlüsse über Strukturwandel bei Presse und Online-Medien in den USA in diesem Buch zusammen. Das erste Kapitel «Journalismus in der Abwärtsspirale», das wir uns vorerst vorgenommen haben, handelt denn auch von den Verfallserscheinungen des amerikanischen Zeitungsjournalismus. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache und bilden einen eigentlichen Erosionsprozess ab: Es die Rede von einer ganzen Serie von Verlagsinsolvenzen, Massenentlassungen, drastisch sinkenden Auflagen, einer Leserabwanderung ins Internet.
Die Sachverhalte sind zwar nicht ganz neu, sie werden aber hier mit viel Zahlenmaterial aus zahlreichen Quellen und statistischen Angaben unterfüttert und sind von hoher Aktualität (viele Informationen und Daten in dem Buch stammen aus 2009).
Ausgedünnte Redaktionen führen in der Folge zu Kompetenzlücken, vielleicht droht eine Deprofessionalisierung, mindestens aber verändert sich das Journalistenhandwerk. Ob der Trend der rapide abnehmenden Glaubwürdigkeit der Medien – offenbar verlieren sie TV-Anbieter und Zeitungen gleichermassen – ebenfalls auf diesen redaktionellen Schwund zurückzuführen sind, bleibt offen.
Auf der Seite der Ursachen des Niedergangs wird als eines der Hauptprobleme erwähnt, dass die Internetgeneration mit der Erwartungshaltung von «Alles gratis» aufgewachsen und die Zahlungsbereitschaft für Nachrichten und journalistische Angebote im Netz derzeit gleich Null sei.
Die Diskussion in der Gruppe hat folgende Punkte speziell hervorgehoben:
– Die Zahlen aus den USA zum Konsum von Nachrichten zeigen, dass in der Mediennutzung offenbar Einbussen bei den «alten» Medien nicht von Onlineangeboten kompensiert werden.
– Den Fragen, ob der Zustand der Presse in den USA anders als in Europa ist, inwiefern er vergleichbar wäre oder was allenfalls in Europa auf uns zukommt, nähern wir uns anhand dieses Einstiegs nicht direkt an. In der Schweiz warnt ja insbesondere Kurt Imhof, Soziologe und Medienforscher, sehr deutlich vor den Folgen eines Verlustes des Qualitätsjournalismus und spricht unverhohlen von einer Unterhöhlung der Demokratie und einem drohenden Zerfall der Öffentlichkeit.
– Erwähnenswert scheint uns, dass sich die Beobachtungen von Ruß-Mohl an der Grenze zwischen Journalistik und Ökonomie bewegen: So schliessen seine Beobachtungen nicht nur den Inhalt von Zeitungen ein, sondern ebenso ihr Anzeigengeschäft oder den Verfall ihrer Börsenwerte.
– Das Buch ist ein Zwitter zwischen Wissenschaft und populärem Sachbuch ist. Das macht es zwar zu einer auch unterhaltenden Lektüre, war uns aber nicht in jedem Abschnitt behaglich. Manchmal haben wir uns gefragt, was vor dem Beginn der abgebildeten Statistik war; andere Male haben uns Definitionen gefehlt, etwa was alles genau unter «Nachrichten» fällt oder gezählt wurde.
Im Untertitel ist die Rede von einer «kreativen» Zerstörung, sie wird also nicht nur negativ beurteilt. Es müssten sich daher in den folgenden Kapiteln neue Ansätze zeigen, wie sich neue Formen etwa im Online-Journalismus ausbilden. Fortsetzung folgt.
* Stephan Ruß-Mohl: Kreative Zerstörung. Niedergang und Neuerfindung des Zeitungsjournalismus in den USA. Konstanz, 2009.
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