Absichten im Auge behalten

Der nachfolgende Diskussionsbeitrag beschäftigt sich mit Unterscheidungsebenen in der Diskussion um zu Urheberrecht und CC Lizenzen und wurde ausgelöst durch eine Lesegruppendiskussion. Mir ist dabei bewusst, dass es sich um sehr punktuelle Beobachtungen handelt, die nichts Grundsätzliches darüber aussagen, wie die CC Lizenzen am besten einzusetzen sind. Die Überlegungen plädieren lediglich dafür, die komplexen Verhältnisse nicht ungebührlich zu simplifizieren, um produktive und kreative Diskussionen um die Wahrung des Public Domain und die bestmögliche Nutzung von CC Lizenzen zu ermöglichen.

Im Grunde geht es ja um folgende Interessensabwägung: Auf der einen Seite die Absicht des Urheberrechtes, den Schutz der Urheberschaft zu gewährleisten und demjenigen, der etwas erschafft, mögliche Erträge seines Werkes zu sichern; auf der andern Seite das Konzept des freien Zugangs auf Information, mehr noch: die Möglichkeit, auf vorhandene Werke zuzugreifen, sie sich anzueignen und auf ihnen aufzubauen.

Natürlich soll dabei all jenen Rechteinhabern, die andern grosszügige Nutzungsrechte an ihren Inhalten einräumen möchten, geholfen werden; das ist unproblematisch (nicht im Verfahren, aber im Prinzip).

Das öffentliche Gut, das man für eine offene Wissens-Gesellschaft gerne im Public Domain hätte, besteht grob etwa
– aus wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Innovation
– plus kultureller Leistung im Sinne einer Kreation mit dem Ziel kultureller Vielfalt und
– Teilhabe am öffentlichen demokratischen Geschehen.

Darunter fällt sehr Vieles und sehr Unterschiedliches. Was nämlich ist genau gemeint, wenn von einer drohenden Verknappung des öffentlichen Gutes die Rede ist? Im vielen Bereichen gab es im Gegenteil wohl noch nie soviel Zugriffsmöglichkeiten wie jetzt; Präzisierungen sind also notwendig. Folgendes sind Vorschläge für mögliche Unterscheidungsebenen, die zwar isoliert betrachtet werden können, aber untereinander verbunden sind: Finanzierung, Bereich/Medium, Ausübung der Tätigkeit, Relevanz.

Finanzierung: Mithilfe welcher Finanzierungsmodelle entstehen Beiträge zum öffentlichen Gut? In welcher Weise, wenn überhaupt, ist der Staat daran beteiligt?

Beispiel: wenn die öffentliche Hand via Gehälter und Forschungszuschüsse an Hochschulen wissenschaftliche Arbeiten finanziert, ist es stossend, wenn die Resultate nachher ebendieser Öffentlichkeit nicht zugänglich sein oder sie in irgend einer Weise nochmals dafür bezahlen sollte. Aber warum umgekehrt soll eine frei schaffende Fotografin ihre Fotos nicht als Waren und Informationsprodukte betrachten, für deren Nutzung sie Gebühren erheben und damit handeln kann? Ihr einleuchtendes Interesse ist, Nutzungen der Bilder zu verkaufen. Hier ist doch das zentrale Anliegen, kulturell Tätigen die Möglichkeit zu geben, möglichst adäquate Wege bei der Vermarktung ihrer Inhalte einzuschlagen. Um die Neugier der Öffentlichkeit zu wecken, sind Proben des Schaffens auf dem Netz so oder so eine gute Sache; ob in diesem und ähnlichen Fällen über On-Demand-Geschäftsmodelle und CC Lizenzen oder mit dem herkömmlichen Urheberschutzschutz besser funktioniert werden kann, entzieht sich der Kenntnis der Schreiberin. Ein anderes Modell ist dagegen, wenn beispielsweise die Stadt Linz ab 1.01. 09 Werke mit einem Pauschalaufschlag von zusätzlichen 10% über dem von der Stadt erarbeiteten Fördervorschlag unterstützt, die unter einer freien Lizenz zugänglich gemacht werden (1).

Bereich/Medium: Für welche Bereichsfelder und Disziplinen sind CC Lizenzen attraktiv, für welche weniger? Auf welche Vorleistungen kann unter welchen Bedingungen zugegriffen werden?

Durch die Ablösung der Information von der materiellen Basis – mit der Digitalisierung – entsteht gelegentlich der Eindruck, als ob in Sätzen wie «Wissen und Information gedeihen nicht in einem Klima der Verknappung, sondern nur in einem Klima der Offenheit und Freizügigkeit, in dem allen der freie Zugriff zu fairen Bedingungen ermöglicht wird.» (2) jegliche Informationsform in jedem Bereich dasselbe wäre: Texte, Bild, Ton, Bewegtbild in Wissenschaft, Publizistik und Kultur, alles eins. Hier geschieht vielleicht eine allzu schnelle Gleichsetzung.

Dass beispielsweise Autoren von Texten weniger dringend auf CC Lizenzen gewartet haben, scheint nahe liegend: warum sollten sie denn? Was sie erschaffen, verfertigen sie selber oder sind zum Zitat verpflichtet. Wie viel Aufregung es verursacht, wenn hier gesamplet wird, hat im literarischen Bereich vor kurzem «Axolotl Roadkill» gezeigt. Umgekehrt aber ist etwa die Disziplin Film auf sehr viele Vorleistungen angewiesen: Story, Drehbuch, Musik, Kostüme, Ausgestaltungen von Innen- und Aussenräumen, ja selbst Elemente dieser Räume, wie Poster, Bilder, Kunst- und Bauwerke (in Frankreich gilt nicht einmal die Panoramafreiheit). Das macht vielleicht erklärlich, warum sie sich für offenere Lizenzformen stärker interessieren. Das berühmte Beispiel des nächtlichen Beleuchtungsdesigns des Eiffelturmes führt die Sache hier spürbar ins Absurde: es ist ebenfalls durch das Urheberrecht geschützt, sodass der Eiffelturm samt Beleuchtung ausserhalb des strikt Privaten nicht fotografiert oder gefilmt werden darf.

Ausübung der Tätigkeit: Wer professionell künstlerisch tätig ist, beispielsweise in Literatur, bildender Kunst, Musik, in einem Bereich des stehenden oder bewegten Bildes oder der verwandten Schutzrechte – oder auch journalistisch – hat in jedem Fall ein Interesse an einer Form von «Entlöhnung» für seine Werke. (Das war ja auch ursprünglich die Idee der fünf Verwertungsgesellschaften in der Schweiz: SUISSIMAGE, Société Suisse des Auteurs SSA, ProLitteris, SUISA, SWISSPERFORM). Wer heute aber mit welchem Modell tatsächlich besser fährt, ist vielleicht gar nicht so eindeutig. Klar ist, dass der arme Poet sicher möglichst wenig administrativen Aufwand haben möchte und normalerweise nicht über die zeitlichen Ressourcen verfügt, um diesen Rechts- und Wirtschaftsfragen sehr akribisch nachzugehen und daher mit Sicherheit ein möglichst einfaches System sucht. Natürlich sieht es anders aus, wenn jemand das nur als Freizeitaktivität betreibt – «nur» nicht in einem qualitativen, sondern eben im Gegensatz zu gewerbsmässig.

Wenn gelegentlich ganz allgemein vom «Widerstand gewisser etablierter Akteure» die Rede ist, könnte das in diesem Feld auch durchaus zynisch klingen: Die finanzielle Lage vieler im Kreativszenebereich ist bekanntermassen prekär.

Relevanz: Wie steht es bei den CC-Werken mit der Quantität, wie mit der Qualität? Welche relevanten Beiträge zum öffentlichen Gut werden von wem erbracht? Welche Kooperationsformen und Bedingungen sind dazu notwendig?

Das Problem, das die CC Lizenzen lösen sollen, kann nicht ernsthaft nur darin bestehen, dass irgendwelche anspruchslosen Freizeit-Filme nicht mit jeder Musik untermalt und einfach so auf YouTube gestellt werden dürfen. Es stellt sich vielmehr die Frage, von welcher Qualität die produzierten Inhalte sind und in der Folge, was davon ungehindert zirkulieren können sollte. Idealerweise wären es wohl Inhalte, die Voraussetzungen für eine Gesellschaft schaffen,  die über kulturelle Wurzeln verfügt und sich den gesellschaftlichen Fragen nicht entzieht – und darin zur Mitarbeit einladen.

Hier drängt sich beispielsweise die Frage nach Strukturen auf, die guten Journalismus (mit Qualitätskriterien wie Objektivität, fundierten Kenntnissen und Glaubwürdigkeit) ermöglichen und nach Formen und Modi, die den einen eine anständig bezahlte Arbeit ermöglichen und bei den andern die Bereitschaft abruft, ab einer gewissen Nutzungsintensität auch zu zahlen, wenn nur die Zahlungsmodalitäten unkompliziert wären.

1  Bestimmungen unter: http://www.freienetze.at/index.php?option=com_content&task=view&id=47&Itemid=37 (13.07.10)
2  auf netethics:
http://www.netethics.net/nethics_neu/n3/themen/wissensoekologie.htm (09.07.10)

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