Google zum ersten: Geschäftsmodell und Serviceangebote

Lars Reppesgaard, freier Journalist in Hamburg, hat 2008 ein Buch über Google als Firma und Prinzip vorgelegt, das einen guten Einblick in Entwicklung und Geschäftsstrategien des Suchmaschinenriesen gibt (1). 

Abwechslungsreich und seriös geschrieben handelt es sich dabei weniger um eine sehr tief gehende Analyse des Google-Imperiums, sondern eher um eine Geschichte, die die Firma über ihre Kultur, Praktiken, Gründer und Mitarbeiter  plastisch macht; heiklere gesellschaftlich-politische Themen wie Datenschutz und Privatsphäre werden gestreift, der Fokus liegt aber auf den geschäftlichen und wirtschaftlichen Strategien. Bereits das Inhaltsverzeichnis gibt einen Überblick über all die Google-Applikationen, die es bis anhin gibt. Der Autor verhehlt auch keineswegs, dass Google bei den meisten keineswegs die Erfinder waren, aber die besseren Zweiten, denen es gelingt, die Fehler der Konkurrenz konsequent zu vermeiden.

Das zweite Kapitel «Der Kampf um die ersten Plätze» beleuchtet denn auch schon den Kern von Googles Geschäftserfolg, die online-Werbung. Die Lesegruppe der digitalen Allmend nahm es zum Ausgangspunkt, Googles Geschäftsmodell und Serviceangebot im Werbemarkt zu diskutieren.

Interessant daran ist ja folgendes: Während Google in der Öffentlichkeit vor allem als Suchmaschine wahrgenommen wird, ist es weit eher eine Werbe- und Verkaufsmaschine, wenn man zum Massstab nimmt, womit der Geschäftserfolg erwirtschaftet wird. Einnahmen werden also erst mit einem Sekundärmechanismus generiert, eben mit der «Geldmaschine Onlinewerbung» (so der Untertitel des Kapitels), während die eigentliche Suche für den Nutzer kostenfrei bleibt.

Zwei Mechanismen werden im Folgenden genauer beschrieben: Adwords und Adsense. Adwords ist das Programm, das bei einer Suchabfrage mit Google auf der Ergebnisseite rechts die kleinen vierzeiligen Textannoncen platziert.  Jedes Mal, wenn die suchende Person anstatt eines Links aus der Ergebnisleiste ein bezahltes Inserat anklickt, wird eine Provision an Google fällig. Adsense stimmt Anzeigen auf die Inhalte von Webseiten ab, die nicht direkt zu Google gehören. Jeder der eine Internetseite, einen Blog, ein Ratgeberportal oder was immer betreibt, kann sich für das Programm anmelden; auch professionelle Online-Angebot wie dasjenige der Süddeutschen Zeitung nutzen das Angebot, um Geld zu verdienen und Aufwände zu refinanzieren.

Weil das automatisierte System, mit dem passende Anzeigen neben die eigentlichen Suchergebnisse gestellt werden, ebenfalls sehr treffsicher ist, sind die Klickraten – und entsprechend die Gewinne – hoch. Dass die Anzeigen so gut passen, macht ein ausgeklügeltes Positionierungssystem möglich, das verschiedene Parameter anhand mathematischer Verfahren gewichtet: neben Stichworten, die vom Anzeigekunden bestimmt werden, sind es Klickraten (wenig angeklickt scheint für die Surfer weniger interessant und rutscht nach unten), geografische Zuordnungen und andere statistische Auswertungsverfahren, etwa die Ladezeit.

Die Diskussion in unserer Gruppe hat erbracht, dass wir selber die Kleinanzeigen rechts meistens eher ignorieren. Hin und wieder einmal können sie jedoch durchaus hilfreich sein auf der Suche nach einem speziellen Produkt (als Beispiel dient eine Luftwärmepumpe), etwa um einen lokalen Anbieter  kennen zu lernen. Weiter haben wir uns gefragt, ob es heikle Anwendungen gibt, Beispiel: Angebote für Kleinkredite. Ausprobieren zeigt, dass mit «Kleinkredit/Zürich/diskret» sofort 8 Werbeinserate erscheinen (auf Wunsch mehr). Ein weiterer Klick präzisiert, was ein Betrag von CHF 20000 über 12 Monate pro Monat kostet (zuviel!) und auf der gleichen Seite erscheinen auch gleich die unbestreitbar tröstlichen Vorteile: Erlass der Restschuld im Todesfall. Ob allerdings Kleinkredite übers Netz problematischer sind, nur weil man sie auch über Googles Werbeanzeigen findet, ist aber doch zu bezweifeln.

Der Vorteil für die werbenden Unternehmen – und für die Marketingindustrie, der sich da ein neues Betätigungsfeld aufgetan hat: Suchmaschinenmarketing und -optimierung, Web-Analytics, E-Business Beratung, Virales Marketing, Online-Werbung und ähnliches – ist ein ausgebautes System von Softwarelösungen: von der Evaluation über die Auswertungen von Benutzerverhalten bis zur laufenden Optimierung, etwa der Keywörter, die Besucher auf die eigene Website ziehen sollen. Ob der einzelne Werbefranken hier tatsächlich mehr bewirkt als an der Plakatwand, dürfte trotzdem schwer zu erheben sein; offensichtlich verbreitet ist aber die Hoffnung, dass man mehr Kontrolle hat.

Der Text wagt auch einen Blick in die Zukunft: Die Bedeutung des Onlinewerbemarktes ist immer noch gering, im Verhältnis zur Summe die insgesamt für Marketing ausgegeben wird, handelt es sich laut Reppesgaard um ca 5%. Google hat im Suchbusiness, kombiniert mit Anzeigen, eine hohe Marktsättigung erreicht; offenbar liegt sie in Europa bei deutlich über 90%: die Wachstumsmöglichkeiten sind da also begrenzt. Die Strategie von Google wird es daher sein, die technologischen Errungenschaften aus dem Online-Geschäft auf andere Werbebereiche (Radio, Fernsehen, Print und neue Formen wie interaktive Displayflächen) zu übertragen: mit Hilfe von Software Anzeigen so zu platzieren, dass sie einen engen Bezug haben zum Kontext, in dem sie stehen (Beispiel sind etwa die von MINI USA versendeten Chips mit Radiofrequenz-Identifikation (RFID), auf die interaktive Displayflächen mit einer persönlichen Nachricht für die Fahrer reagieren), Kampagnen in Echtzeit zu analysieren und sie gegebenenfalls zu verändern und Preise je nach Nachfrage automatisch über Auktionen festzulegen. 

 

1) Lars Reppesgaard: Das Google-Imperium. Hamburg, 2008

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