Geistiges Eigentum, immaterielle Güter oder Information – nur ein Streit um Worte?

Das Vorhaben von Peter Heinrich in der NZZ vom 18.09.2012, den Streit um den Begriff “geistiges Eigentum” zu beenden, ist lobenswert.

Sein Vorschlag, in Zukunft nur noch wertneutral von “Information” zu reden, weckt aber Bedenken vor einer unkontrollierten Ausdehnung der Ansprüche der Rechteinhaber, die heute schon eine hohe Abgabe von vielen Menschen mit der totalen Gewalt des Staates – also mittels Gewaltdrohung mit Knarre und Knast – abpressen, die niemals ein Interesse daran gezeigt haben, ihre Werke zur Kenntnis zu nehmen. Es ist nebenbei interessant, wieviel Staatsgewalt von angeblichen Gewaltgegnern gegen Minderheiten ausgeübt wird, nur um ihr Portemonnaie ein bisschen besser zu polstern.

So wünscht etwa der Verein der Musikschaffenden Schweiz, dass Google, Swisscom und Sunrise für die Werbeklicks neben Links zu einem Musikstück eines ihrer Mitglieder einen hohen Preis bezahlen, das vor ein paar Jahren vom Urheber selber auf YouTube geladen wurde und offenbar beim Publikum auf wenig Interesse gestossen ist. (http://www.andreasvongunten.com/blog/2012/9/13/kommentar-zur-neuen-musikschaffendench-kampagne-gegen-schwei.html)

Wie sehr würde sich diese Lobby freuen, wenn in Zukunft nicht nur einzelne Werke, sondern gleich alle Information kostenpflichtig gemacht würde. Heinrich stellt richtig fest, dass Information/Entropie neben Energie/Materie zu den sehr fundamentalen Grössen der Physik gehört. Gerade dies macht aber den Begriff Information ungeeignet für die Debatte um das Urheberrecht. Denn dieses soll sich gerade explizit nicht auf Information über Tatsachen sondern auf die Gestaltung beziehen. Wenn wir diesen Standpunkt aufgeben, verurteilen wir Journalismus und Wissenschaft dazu, sich vom Verein der Musikschaffenden Schweiz und der anderen weltweit agierenden Lobbies der grossen Labels, Studios und Verlage einen Maulkorb anbinden zu lassen oder Schutzgelder zu bezahlen. Ausserdem ist jedes Messinstrument ein Informationsproduzent, sodass die Lobbyisten der Unterhaltungsindustrie nicht nur Anspruch auf Abgaben für Messungen von Laut (Mikrophon) und Licht (Kamera), sondern vom Bürger auch für jedes Thermometer und jede Uhr eine Geräteabgabe verlangen würden.

So gut gemeint der Versuch ist, eine nicht mit politischen Agenden aufgeladene Terminologie zu verwenden, so kommt man in der aktuellen Diskussion nicht um solche herum. Der Begriff “geistiges Eigentum” wurde geprägt, damit man diese Subvention den Liberalen schmackhaft machen kann und in den Genuss des grossen Schirms des in der Verfassung geschützten Privateigentums kommt. Nur bei der Buchhaltung, der Vermögens- und der Erbschaftssteuer, enthüllt sich dieses Eigentum plötzlich als Nullwert, während es beim Lobbyieren und beim Kriminalisieren von Lehrlingen und Schülern immer einen Millionenwert pro Song darstellt. Der Begriff “Immaterialgut” reduziert die kulturellen Güter auf ihren Warenwert und ihre Regelung auf eine Regulierung des Handels mit diesen Gütern.
Die vielen Autoren der Wikipedia haben neu die öffentlich frei verfügbaren Inhalte neben das geistige Privateigentum gestellt, mit der Folge, dass der Verein Musikschaffende Schweiz heute jeden grosszügigen Autor solcher freier Werke abzockt, wenn dessen Konsumenten leere Disketten oder Geräte kaufen. Ausserdem bedienen sich diese Privateigentümer des Geistigen immer wieder gerne der Werke, die der Öffentlichkeit gehören oder von ihr mit Steuergeldern ermöglicht wurden, ohne dieser Öffentlichkeit die Finanzierung solcher Werke abzugelten. Streiten wir also lieber weiter um Worte und noch lieber um die dahinterstehenden Werte!

 

One thought on “Geistiges Eigentum, immaterielle Güter oder Information – nur ein Streit um Worte?

  1. “Information” ist genau _das_ was nicht durch das Urheberrecht, Markenrecht oder Patente mit Monopolen belegt werden kann.

    Information ist explizit von all diesen Gesetzen ausgenommen. Das Urheberrecht gilt auf “geistige Schöpfungen der Literatur und Kunst, die individuellen Charakter haben.” Klarer kann man nicht sagen dass das nichts, aber auch gar nichts, mit Information zu tun hat.

    Bei Patenten ist das so definiert: “Für neue gewerblich anwendbare Erfindungen werden Erfindungspatente erteilt.”. Eine Information ist nun aber auch keine “Erfindung”.

    Und eine Marke ist “ein Zeichen, das geeignet ist, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von solchen anderer Unternehmen zu unterscheiden.”. Sprich, das ist auch keine Information, sondern nur ein Designator der in Informationen verwendet werden kann (er designiert wer ein bestimmtes Produkt anbietet oder produziert). Und das letzte was ein Markeninhaber will ist dass die mit seiner Marke designierte Information “geschützt” wird.

    Um was es bei “Intellectual Property” geht ist nicht um Information, sondern um ein “Intellectual Monopoly”.

    Wenn jemand eine bestimmte Marke im Bereich “Elektronik und Software” hat darf die niemand anders da benutzen (aber man darf Fensterputzmittel mit demselben Namen anbieten), der Markeninhaber hat ein Monopol darauf.

    Wenn ich ein Patent auf einen separaten Kondensator einer Dampfmaschine habe, dann darf niemand anders den benutzen (ohne mit mir einen Vertrag abzuschliessen), ich habe ein Monopol auf diese Art der Kondensatorimplementation.

    Wenn ich ein Werk schreibe oder Male, dann habe ich durch das Urheberrecht ein Monopol auf die Veröffentlichung meines Werkes.

    Das sind alles Monopole; vom Staat garantiert aus dem einen oder anderen Grund (auch wenn der so fadenscheinig sein kann wie bei Patenten: “Die Schweizer Industrie fühlt sich benachteiligt weil sie in Frankreich Patentgebühren bezahlen muss, die Franzosen hier aber nicht”… — ernsthaft, das ist die Geschichte des Schweizer Patentrechts).