Die NZZ sieht ein Menetekel auch über der Buchbranche lasten, nachdem die Musikindustrie durch Tauschbörsen „an den Rand des wirtschaftlichen Ruins getrieben wurde“ (21.7.09). Das mag die lebhaften Kontroversen erklären, welche das „Google Book Search Copyright Settlement“ begleiten. Die Lesegruppe der Digitalen Allmend hat die Problematik anhand von einigen Zeitungsartikeln am 12. Oktober diskutiert.
Das Potential der digitalen Präsentation von Büchern wird seit Jahren diskutiert und ansatzweise auch ausgeschöpft. Zivilgesellschaftliche Initiativen bereiten ältere Texte auf. Die Staaten als Hüter des kulturellen Erbes wurden ebenfalls tätig. Allerdings zeigten sich in den letzten Jahren die Grenzen. Weder die EU mit dem Projekt ‚Europeana‘ und noch ansonsten kulturbeflissene Staaten wie Frankreich waren bereit, mehr als ein paar finanzielle Peanuts in die Hand zu nehmen. Obwohl ein paar hundert Millionen Euro reichen würden, um grosse Teile des literarischen Erbes eines Landes digital aufzubereiten, setzt die Politik andere Prioritäten.
Google stösst also mit seinem Projekt der Buchdigitalisierung in ein Vakuum vor und das kann man einem Konzern schlecht zum Vorwurf machen. Die strategische Positionierung als Content-Drehscheibe dürfte dem Werbegeschäft zugute kommen. Wie legitime Interessen von AutorInnen und Öffentlichkeit gewahrt werden können, ist Gegenstand laufender Auseinandersetzungen.
Weniger problematisch ist die Digitalisierung alter Werke. Hier vereinbaren Bibliotheken im Rahmen von Digitalisierungsprojekten mit Google, dass sie eine eigene Kopie des digitalen Inhalts bekommen und zur Verfügung stellen können. Hier haben wir diskutiert, ob es nicht eine öffentliche Aufgabe sein soll, ein zentrales Portal für den leichten Zugang zu diesen Inhalten aufzubauen.
Im Zentrum der Auseinandersetzungen um das Google Settlement steht einerseits das Vorgehen des Konzerns, ausgehend von der Festung USA die weltweiten Kulturproduzenten vor vollendete Tatsachen zu stellen. Andererseits die Modalitäten der Präsentation und vor allem die Entschädigungsfrage. Der anfängliche Schock ist einer differenzierteren Haltung gewichen. Es ist ja nicht so, dass die Mehrheit der AutorInnen in den letzen Jahrzehnten in einer paradiesischen Lage befand, die Google nun zu zerrütten droht.
Vielmehr ist die Lage für viele eher prekär und auch publizistisch unbefriedigend. Etwa im Fall eines Autors, der in den 90er Jahren mal ein Sachbuch mit ein paar tausend Auflage verkaufen konnte, das nun aber weder neue aufgelegt wird noch irgendwelche Tantiemen abwirft. Die Möglichkeit, dass der technische Wandel im allgemeinen und Google im besonderen die Prekarisierung weiter verschärfen können, ist nicht von der Hand zu weisen.
So begreiflich ein gewisse Nervosität ist, so wenig hilfreich erweist sich ein Rundumschlag wie der ‚Heidelberger Appell‘. Da wird auch der ‚Open Access‘ Gedanke frontal attackiert. Das erscheint uns angesichts der Tatsache, dass an Hochschulen gut bezahlte Staatsangestellte wissenschaftliche Texte produzieren, ziemlich überzogen. Die Öffentlichkeit zahlt, sie entscheidet auch die Modalitäten der Publikation.
Die Auseinandersetzung geht weiter. Entgegen allen Erwartungen geht das Google Book Settlement nicht einfach über die Bühne. Ein erster Termin wurde annulliert. Das zuständige Gericht soll auf Antrag der Parteien am 6. November eine Standortbestimmung vornehmen (NZZ 23.9.09).