Panorama der Netzwerkgesellschaft

Manuel Castells Begriff der Netzwerkgesellschaft bündelt vielfältige Erscheinungen. Er konstruiert eine Zentralperspektive in einem ausladenden Panoramagemälde. Dieses reicht vom technologischen zum medialen Wandel, vom Zusammenbruch der Sowjetunion zur Globalisierung, von den neuen sozialen Bewegungen zum organisierten Verbrechen.

In der Lesegruppe Wissensgesellschaft haben wir aber nicht zu den drei dicken Bänden Castells aus den neunziger Jahren gegriffen, sondern das Kapitel zu Castells informationeller Gesellschaft in einem Buch von Jochen Steinbicker besprochen (1).

In der Diskussion wird anhand etwa des Verweises auf die Vierte Welt positiv bewertet, dass Castells nicht eine Welt skizziert, die einem einfachen Trend folgt. Er skizziert eine widersprüchlich differenzierte und gleichzeitig in der Globalisierung kombinierte Entwicklung. Das gilt für grosse Teile des faktenreichen und pragmatisch analysierenden Werks „Das Informationszeitalter“.

In einem gewissen Gegensatz dazu steht das sehr abstrakt angesiedelte Konzept der Netzwerkgesellschaft, das zudem mit abgehoben Konzepten wie Raum der Ströme begleitet wird. Auch die postulierte Neukonzeption von Raum und Zeit versucht seinen Diskurs an philosophische und physikalische Grundkategorien zu binden, ohne dass das handfest vermittelt wird.

Faktennah diskutierbar ist Castells stark betonter Wandel der Unternehmenswelt. Die Ansätze zu Virtualisierung von Unternehmensteilen und die neuen logistischen Potentiale der Informationstechnologie können die Diskutierenden schon nachvollziehen. Castells sieht hier aber einen radikalen Umbruch, wo eher ein Wandel konstatiert werden kann. Neben erheblichen Veränderungen sieht etwa das Nebeneinander von Grosskonzernen, zahlreichen kleineren Betrieben und marginalen bis genialen Miniunternehmen dem Bild der sechziger Jahre noch erstaunlich ähnlich.

Nach der Beschäftigung mit Konzepten der Wissensgesellschaft orientiert sich die Lesegruppe in den nächsten Wochen auf einen neuen Themenschwerpunkt.

Urs

 

1) Jochen Steinbicker. Zur Theorie der Informationsgesellschaft : ein Vergleich der Ansätze von Peter Drucker, Daniel Bell und Manuel Castells. 

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