Eine Lesegruppe der Digitalen Allmend beschäftigt sich mit Themen der Wissensgesellschaft. Nach etwas Aufwärmen und einem letzten Schluck aus Tasse oder Glas haben wir uns am 18. Februar über einen Text zum Thema Wissen gebeugt.
“The duality of knowledge” beleuchtet die Thematik aus dem Blickwinkel von Knowledge Management. Hildreth und Kimble gehen der Grenzlinie zwischen weichen und hartem Wissen nach. Die Existenz und Art dieser Abgrenzung entscheidet, wie weit ein Formalisierung, verbale Erfassung und Verarbeitung mit Informationstechnologie möglich ist.
Nach Mitte des letzten Jahrhunderts war die Wissenschaftscommunity ziemlich optimistisch, dass jegliches Wissen in explizites und formalisierbares Wissen transformiert werden kann. Ein Ausdruck davon waren etwa die sogenannten Expertensysteme, in denen man das Wissen von Fachleuten erfassen und unabhängig von Personen und Kontext verfügbar machen wollte. Die Diskussionsrunde äussert sich ziemlich skeptisch und es wird etwa auf die Schwierigkeit hingewiesen, das Wissen und die Erfahrung einer erfahrenen Feuerwehtruppe in ein Informatiksystem abzufüllen.
Der Text stellt fest, dass inzwischen eine andere Sicht aufs Wissen Platz gegriffen hat. In den letzen Jahrzehnten wird eine Zweiteilung, eine Dichotomie zwischen implizitem Wissen (tacit knowledge) und explizitem Wissen postuliert wird. Hier entbrennt eine lebhafte Diskussion in der Runde. Einzelne Autoren postulieren nämlich, dass ein spiralartiges Überschreiten der Grenzen zwischen beiden Wissensformen möglich ist. Die Verfasser des Papers werfen dieser Position innere Widersprüchlichkeit vor. Wenn der Unterschied zwischen beiden Wissensformen absolut ist, kann es keine Grenzüberschreitung geben. In der Diskussion können wir dass wohl nachvollziehen. In einem sozialen Prozess ist es aber doch möglich, Brocken von implizitem Wissen ins Reich des expliziten herüberzuziehen.
Das Paper postuliert eine dual genannte Position. Es stellt fest, dass Wissen eben beide Elemente, weiche und harte, enthält. Zudem binden die Autoren die Produktion und Reproduktion von Wissen direkt an menschliche Aktivitäten. Dazu greifen sie auf das Konzept von Communities of Practice zurück. Solche Communities hantieren wohl mit hartem Wissen, beruhen und funktionieren aber mit wichtigen Anteilen von implizitem Wissen. In den Stil und den Interpretationshorizont einer solchen Communitiy kann ein Individuum nur durch Lernen und Erfahrung hineinwachsen.
Unabhängig vom Text haben wir auch eine andere Dimension des Wissensbegriffs diskutiert. Welche Formen von Informationswolken in der menschlichen Gesellschaft können wir als Wissen ansehen? Einen Pol in der Diskussion bildet der Ansatz, Wissen an den Wahrheitsbegriff zu binden. Am andern Ende steht der Anspruch, jede Form von minimal strukturierten Informationen als Wissen zu fassen, etwa auch die Mythen und handwerklichen Praktiken eines indigenen Stammes. Diese Diskussion konnte nicht wirklich abgeschlossen werden. Trotz einzelner erkenntnistheoretischer wie humoristischer Höhenflüge.
Die nächsten Treffen werden der Diskussion einiger soziologischer Konzepte der Wissensgesellschaft bei Drucker, Bell und Castells dienen. Am 31. März geht es los mit dem Kapitel zu Drucker aus: Jochen Steinbicker. Zur Theorie der Informationsgesellschaft : ein Vergleich der Ansätze von Peter Drucker, Daniel Bell und Manuel Castells.
Urs Meile
Erfahrung und Wissen ist doch nicht dasselbe. Das kann man jeden Tag beobachten. Wer viel weiß, muß das noch lange nicht umsetzten können. Nicht umsonst wird bei Jobausschreibungen “praktische Erfahrung” verlangt und nicht jemand, der “viel weiß”. Im amerikanischen Raum ist Wissen sogar noch nebensächlicher und Erfahrung steht an erster Stelle. Und Erfahrung ist leider nicht formalisierbar, archivierbar oder ähnliches. Genausowenig wie man sich z.B. Schlittschuhlaufen anlesen kann 😉