Informationelle Aufdringlichkeit

Wie ist ein Recht auf informationelle Selbstbestimmung mit Big Data vereinbar? Im Schlussteil ihres Textes betrachten Mayer und Cukier einige Risiken.

Die Autoren weisen darauf hin, dass trotz einer gewissen Unschärfe von Daten viele Informationen unter Big Data auf Individuen zurückverfolgt werden können. Sie gehen trotzdem von einer vorrangigen Berechtigung aus, Informationen zu beliebigen Zwecken zu verwenden und zu verknüpfen. Da wird die Wahrung der Privatheit und der informationellen Selbstbestimmung ziemlich schwierig. Zu den Grundsätzen des Datenschutzes in Westeuropa gehört, dass persönliche Informationen durch Berechtigte und zu umrissenen Zwecken verwendet werden dürfen.

Für derartige Beschränkungen haben die Autoren kein Musikgehör. Sie möchten einen Markt etablieren, auf dem Konzerne und staatliche Institutionen über professionelle Marktmacher Bündel von Daten aufbereiten und handeln – unproblematische und persönliche. Darum wollen sich vom Schutz individueller Rechte weg zu einer reinen Marktregulierung: Der Staat soll den Info-Brokern Branchenregeln vorschreiben, die den Umgang mit den Datenmassen gestalten. Dass es das auch braucht, ist kaum bestritten.

Die individuellen Rechte zu verwässern, erscheint aber einigermassen problematisch. Das gilt vor allem für persönliche Daten, die zwangsweise erhoben werden, etwa im Gesundheitswesen, beim Hotelbesuch oder beim elektronischen Zahlungsverkehr. Nur ein griffiger Datenschutz kann verhindern, dass private Akteure umfassende Profilsammlungen von Individuen aufbauen und vermarkten können.

Stark in den Vordergrund rücken die Autoren das Problem, dass Big Data basierte Profile vorsorglich zu Handlungen Anlass geben können, die Individuen massiv einschränken. Weil sie von einer massiven Verbesserung von Prognosen ausgehen, sehen sie die Versuchung, dass die Gesellschaft wie in Minority Report bereits aufgrund einer Möglichkeit von Taten eingreifen könnte – bevor etwas passiert ist. Die Befürchtungen erscheinen etwas überzogen, was den Prognose-Optimismus angeht. Zudem basiert Handeln bereits heute nicht selten zwingend auf Risikoeinschätzungen und bleibt für die Betroffenen nicht folgenlos. Etwa bei der Risikoabklärung von Wiederholungstätern oder einer Kreditvergabe.

Gar nicht beachtet wird von den Autoren die Problematik der kriminellen Übergriffe durch private und staatliche Akteure. Die Datensammlungen werden mit oder ohne Big Data immer grösser und relevanter. Ein grosser Schub bahnt sich etwa unter dem Stichwort der individualisierten Medizin an.

Man muss die Einschätzungen von Mayer und Cukier nicht teilen. Der Wert des Buches besteht auf jeden Fall darin, Stossrichtung und Diskurselemente der aufstrebenden Big Data Branche deutlich sichtbar zu machen.